Sebastian Linz

Resiliente Kulturinstitutionen?

Das ‚Ende am Licht des Tunnels’ sei nahe, im Sommer könne man eine ‚Rückkehr zur Normalität’ erwarten, meint die österreichische Bundesregierung. Bis dahin sollen alle gesellschaftlichen Bereiche – auch die Kultur – ‚gut durch die Krise kommen’, um nach der Krise im Stande zu sein, ihre gesellschaftlichen Aufgaben wieder aufzunehmen. Unter den verschiedenen Resilienz-Begriffen scheint wohl derjenige aus der Physik zutreffend für die Rettungsmaßnahmen des Kulturbetriebs: Dort meint Resilienz, dass ein Körper nach einer Verformung (meist durch externe Krafteinwirkung) in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Widerstandskraft und vollständige Regeneration stehen hier wie dort im Vordergrund.
Doch eine Rückkehr zum status quo ante wird es nicht geben. Wenn wieder so etwas wie Normalität eingekehrt sein wird, wird es eine neue Form der Normalität sein. Wie diese aussehen mag, weiß bis dato niemand.

Dass sich Kunst- und Kulturinstitutionen verändern müssen, war bereits vor Corona evident. Demokratisierung (überkommener Macht- und Entscheidungsstrukturen), Digitalisierung, Diversität, Inklusion, ökologische Nachhaltigkeit, sozial gerechtes Handeln, Gemeinwohlorientierung – die Aufgabenfelder sind vielfältig, der Veränderungsbedarf gewaltig. Mehr noch: Um einen Beitrag zu einer gesamtgesellschaftlichen Resilienz – im Hinblick auf gegenwärtige und zukünftige Krisen und Problemstellungen – zu gewährleisten, ist es geradezu geboten, dass die Institutionen eben nicht resilient (im oben genannten Sinne) sind, dass sie nicht so aus der Krise kommen, wie sie hineingegangen sind. Fruchtbar zu machen wären hier eher Verwendungen des Resilienz-Begriffs aus der Psychologie oder Soziologie, die Veränderungsprozesse, Anpassung wie Transformation, aktiv mit einschließen.

So überlebensnotwendig und richtig die derzeitigen Rettungsmaßnahmen der Österreichischen Kulturpolitik einerseits sind, so wenig zukunftsweisend, den notwendigen Wandel begleitend sind sie andererseits. Das ist nicht unbedingt die Schuld der derzeitig politisch Verantwortlichen, sondern in erster Linie das Ergebnis einer jahrzehntelangen bloßen Verwaltung und monothematischen Optimierung des Ist-Zustands. Und während beispielsweise in Deutschland die Kulturstiftung des Bundes vor, aber auch noch während der Corona-Krise progressive Fördertools – z.B. zu den Themenfeldern Digitalisierung/Digitalität und Diversität [1] – aufgesetzt oder sich unter der Federführung der deutschen Bundesregierung jüngst das Aktionsnetzwerks ’Nachhaltigkeit in Kultur und Medien’ gegründet hat [2], sucht man solche breit aufgestellten, strategischen wie nachhaltigen Programme in Österreich bislang vergeblich.

Kurz und gut: Resilient können Kulturinstitutionen nur dann werden, wenn auch die Kulturpolitik einen Begriff davon bekommt, was Resilienz nicht nur während der gegenwärtigen Krise, sondern auch in Zukunft bedeuten könnte. Und dann entsprechende Maßnahmen einleitet. – Es gibt noch einiges zu tun …


 

[1] Dive in – Programm für digitale Interaktionen’ und ‚Kultur Digital’, ‚360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft’.

[2] Vgl. z.B.: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/auftakt-fuer-aktionsnetzwerk-nachhaltigkeit-in-kultur-und-medien-kulturstaatsministerin-gruetters-erprobte-umwelt-und-klimastrategien-in-die-flaeche-bringen–1789404

 

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© Hannah Innreiter

Sebastian Linz ist künstlerischer Geschäftsführer der ARGEkultur in Salzburg.