Kathrin Röggla

In dem Gespräch mit dem amerikanischen Künstler Brett Bloom tauchte es gestern Abend wieder auf, das Wort Resilienz. Wie schaffe man es, als Kunstschaffender in der derzeitigen Krise an einer kommunalen Resilienz zu arbeiten, also der Abwehr eines die Gemeinschaft schädigenden, den einzelnen in körperlicher und psychischen Gesundheit bedrohenden Zustands. Die Verbindung auf Zoom war schlecht, aber ich verstand, dass es um Essensverteilung ging, in einem Land, in dem 30 mio Menschen derzeit hungern, und um die Zumutungen des neoliberalen Zwangssystems, in dem sie sich befinden. Mal im Gefängnis, mal draußen. „Art against the law“ hieß die Publikation, die er kurz hochhielt, und ich dachte ebenso kurz daran, dass vor allem dort immer öfter Algorithmen Urteile entscheiden. Letzte Woche war es der Künstler und Verleger Marc Herbst gewesen, der in einem halböffentlichen Auftritt den Begriff in den Mund genommen hat, als er über seine Nachbarschaftsakademie in den Berliner Prinzessinnengärten sprach, eine selbstverwaltete kommunale Initiative, die sich seit Jahren in Berlin Kreuzberg hält. Hier ging es um Gentrifizierung, um die Zumutung der Immobilienspekulation in der deutschen Hauptstadt, aber auch um die Klimakrise. Ich treffe immer öfter auf Kunstschaffende, die sich in Kontakt mit communities befinden, und zusammen mit diesen Zusammenschlüssen vor Ort oder ortsübergreifender NGOs arbeiten. In meiner eigenen Arbeit bin ich leider gerade etwas entfernt davon, der Lockdown macht mich immobil und auch mein grundsätzliches Interesse an den Herrschaftssprachen lässt meinen Blick oft nicht auf die Resilienz suchende Seite gleiten. Dennoch sehe ich mich in der Recherche und meinem Blick auf widerständige Strategien, ob es um Selbsthilfegruppen oder Tribunalformen geht, als Teil einer größeren Zuwendung zu einer künstlerischen Arbeitsform, die sich nicht mehr alleine aufs abschließende Objekt bezieht. Es entstehen auch im Schreiben jede Menge Nebenprodukte. Gesprächsveranstaltungen und Panels, Sitzungen in Bürgerzentren, die meine Beteiligung zeigen. Am Ende mag irgendwann ein Buch oder ein Stück stehen, aber der Weg dorthin führt nicht alleine über den einsamen Schreibtisch, sondern im Gespräch mit anderen, in der Partizipation an Projekten kollektiver Widerstandsformen. Orte heftiger und konkreter Resilienzsuche auf kommunaler aber auch durchaus globaler Ebene, wie die Fridays for future-Bewegung zeigt. Die Verwebung eigener ästhetischer Arbeit mit dieser kollektiven Arbeit scheint mir derzeit die interessantesten künstlerischen Äußerungen hervorzubringen. Es sind in jedem Fall Lernprozesse.

 

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© Jessica Schäfer

Kathrin Röggla ist eine österreichische Schriftstellerin und lebt in Berlin und Köln. Zuletzt wurde sie mit dem österreichischen Kunstpreis für Literatur und dem Wortmeldungen-Preis ausgezeichnet.