ÖFFENTLICHE RINGVORLESUNG "Pygmalion". Künstliche Körper und lebende Statuen in den Künsten

Renate Prochno-Schinkel: Zur Ikonographie Pygmalions in der bildenden Kunst

Der Vortrag zeigt, wie die die bildende Kunst die Geschichte Pygmalions im Mittelalter und in der frühen Neuzeit dargestellt hat. Jede Epoche interpretierte den Mythos auf ihre eigene Weise und setzte andere Akzente. Die wichtigsten ikonographischen Variationen über dasselbe Thema sollen nachgezeichnet werden.

Renate Prochno-Schinkel studierte in Münster, London und München Kunstgeschichte, Geschichte und Erziehungswissenschaft. 1987 wurde sie mit einer Arbeit über Sir Joshua Reynolds. Diskurse und Gemälde promoviert (publiziert 1990) und war danach ein Jahr Postdoctoral Fellow des John Paul Getty Trusts an der Johns Hopkins University, Baltimore, USA. Sie war Assistentin in München, nahm Lehraufträge an der Universität Bamberg wahr, und habilitierte sich 1996 in München zur Kartause von Champmol, Grablege der Valois-Herzöge (publiziert 2002). Sie war 1996 Visiting Fellow an der University of Melbourne, Australien, und vertrat Professuren in München und Hamburg, bis sie 2000 auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Salzburg berufen wurde. Ihre Schwerpunkte decken verschiedenste Gattungen und Epochen ab (Edelsteinallegorese im frühen Mittelalter, Westfälische Kunst um 1200, Kunst in Burgund, den Niederlanden und Frankreich im späten Mittelalter, Konkurrenzen in der Kunst der Neuzeit, Malerei in England 1500-1800).

 

Zur Ringvorlesung

Seitdem Pygmalion die von ihm gemachte Statue durch sein Begehren mit göttlicher Hilfe verlebendigte, beschäftigen sich die Künste mit der Materialität des menschlichen Körpers zwischen Leben und Tod, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Verlebendigung und Animismus. An Pygmalion und insbesondere an Galatea reflektieren sie sich in ihrem Kunststatus und in ihrem mimetischen Programm auch selbst. Pygmalions hypermimetisches Bild ist dabei vielleicht zugleich höchste Herausforderung wie schmählichste Kapitulation gegenüber der schärfsten Konkurrentin der Kunst, der Natur. Die Ringvorlesung verfolgt den Mythos, seine Tradierungen und seine Schichten der (Un-)Sinngebung von der Antike und bis in die Gegenwart. Ausgehend von der Meistererzählung Ovids und verwandter bildhafter Verwandlungen wie die von Narziss oder der Propoetiden geht es um künstlich hergestellte Statuen, die lebende Körper imitieren (die in der imaginativen Sphäre der Literatur oder Kunst selbst künstlich sind).

Die Ringvorlesung fragt nach dem Verhältnis des Körpers als materielles, unbelebtes Artefakt und als lebendiges Subjekt. Die künstlichen Objekte imitieren lebende Körper, sie können gesehen und berührt werden. Die Instrumente ihrer Wahrnehmung sind die Körper der Betrachter. In der Pygmalion-Variante des Typus durchläuft das materielle, unbelebte Körperobjekt eine Metamorphose, die es zu einem lebendigen Körpersubjekt macht, das freilich die Sphäre der künstlerischen Imaginiertheit nicht zu überschreiten vermag. Der Übergang zwischen dem Körper als (materielles) Objekt und als (handelndes) Subjekt ist fließend. Im Rahmen der Ringvorlesung werden Vertreter*innen der verschiedensten kulturwissenschaftlichen Disziplinen diese Spannung von Nachahmung und Beseelung, Imagination und Materialität, Körper und Körperfiktion, nicht zuletzt aber auch die Genderfrage zwischen Schöpfung und Schöpfenden beleuchten.

 

Zeit / Ort: 22. März bis 21. Juni 2023, jeweils am Mittwoch 11.15 bis 12.45 Uhr, Unipark Nonntal, Erzabt Klotz-Str. 1, HS 3 Georg Eisler (E.003)

Ringvorlesung Pygmalion: Renate Prochno-Schinkel.ical

Konzeption, LV-Leitung: Manfred Kern, Romana Sammern

Bildnachweis: Jean-Léon Gérôme (1824–1904): Pygmalion und Galatea, um 1890. Öl/Leinwand, 88,9 × 68,6 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York. Foto: The Metropolitan Museum of Art