ÖFFENTLICHE RINGVORLESUNG "Pygmalion". Künstliche Körper und lebende Statuen in den Künsten

Nicola Suthor: Ein Spiel der Kräfte: Zu Pietro und Gian Lorenzo Berninis "Bacchanal"

Im Zentrum des Vortrags steht eine Skulpturengruppe aus dem Metropolitan Museum in New York, in welchem Vater Bernini den Sohn in die kritische Reflexion über die Möglichkeiten und Grenzen der Verlebendigung der Skulptur verspielt einführt. Es wird gezeigt werden, wie die Skulptur dabei sowohl den künstlerischen Anspruch bedient, der sich mit der monolithischen Skulptur des 16. Jahrhunderts verbindet, wie auch der Ästhetik des Hochbarocks vorausgreift.

Nicola Suthor hat Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie in Düsseldorf, Köln, Basel und Berlin studiert. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin sowohl am Kunsthistorischen Institut als auch am Theaterwissenschaftlichen Institut der FU Berlin und wissenschaftliche Assistentin und Postdoktorandin am KHI [MPI] Florenz. Nach ihrer Dissertation an der FU Berlin und der Habilitation an der Universität Bern und Gastaufenthalten an der Stanford University und dem IAS Princeton hat sie an verschiedenen Universitäten in Deutschland unterrichtet, bevor sie 2015 als Professorin an die Yale University berufen wurde. Ihre Dissertation widmete sie der “Augenlust bei Tizian”; ihre Habilitation “Bravura: Virtuosität und Mutwilligkeit in der Kunst der Frühen Neuzeit” behandelt, wie Malerei explizit Kunst vermittelte und dabei mehr oder weniger gekonnt aufs Spiel setzte. Nach “Rembrandts Rauheit: Eine phänomenologische Untersuchung” widmet sie sich mit ihrem aktuellen Forschungsprojekt “Meta/Physiken der Linie” der Materialisierung von Gedankenprozessen im Medium der Zeichnung.

 

Zur Ringvorlesung

Seitdem Pygmalion die von ihm gemachte Statue durch sein Begehren mit göttlicher Hilfe verlebendigte, beschäftigen sich die Künste mit der Materialität des menschlichen Körpers zwischen Leben und Tod, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Verlebendigung und Animismus. An Pygmalion und insbesondere an Galatea reflektieren sie sich in ihrem Kunststatus und in ihrem mimetischen Programm auch selbst. Pygmalions hypermimetisches Bild ist dabei vielleicht zugleich höchste Herausforderung wie schmählichste Kapitulation gegenüber der schärfsten Konkurrentin der Kunst, der Natur. Die Ringvorlesung verfolgt den Mythos, seine Tradierungen und seine Schichten der (Un-)Sinngebung von der Antike und bis in die Gegenwart. Ausgehend von der Meistererzählung Ovids und verwandter bildhafter Verwandlungen wie die von Narziss oder der Propoetiden geht es um künstlich hergestellte Statuen, die lebende Körper imitieren (die in der imaginativen Sphäre der Literatur oder Kunst selbst künstlich sind).

Die Ringvorlesung fragt nach dem Verhältnis des Körpers als materielles, unbelebtes Artefakt und als lebendiges Subjekt. Die künstlichen Objekte imitieren lebende Körper, sie können gesehen und berührt werden. Die Instrumente ihrer Wahrnehmung sind die Körper der Betrachter. In der Pygmalion-Variante des Typus durchläuft das materielle, unbelebte Körperobjekt eine Metamorphose, die es zu einem lebendigen Körpersubjekt macht, das freilich die Sphäre der künstlerischen Imaginiertheit nicht zu überschreiten vermag. Der Übergang zwischen dem Körper als (materielles) Objekt und als (handelndes) Subjekt ist fließend. Im Rahmen der Ringvorlesung werden Vertreter*innen der verschiedensten kulturwissenschaftlichen Disziplinen diese Spannung von Nachahmung und Beseelung, Imagination und Materialität, Körper und Körperfiktion, nicht zuletzt aber auch die Genderfrage zwischen Schöpfung und Schöpfenden beleuchten.

 

Zeit / Ort: 22. März bis 21. Juni 2023, jeweils am Mittwoch 11.15 bis 12.45 Uhr, Unipark Nonntal, Erzabt Klotz-Str. 1, HS 3 Georg Eisler (E.003)

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Konzeption, LV-Leitung: Manfred Kern, Romana Sammern

Bildnachweis: Jean-Léon Gérôme (1824–1904): Pygmalion und Galatea, um 1890. Öl/Leinwand, 88,9 × 68,6 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York. Foto: The Metropolitan Museum of Art