ÖFFENTLICHE RINGVORLESUNG "Pygmalion". Künstliche Körper und lebende Statuen in den Künsten

Frank Fehrenbach: „Quasi semivivi“. Italienische Skulpturen der Renaissance

Der Vortrag konzentriert sich auf Formen der Übergänglichkeit zwischen tot und lebendig in der Skulptur der italienischen Renaissance. Drei Aspekte stehen dabei im Zentrum: die scheinbare „Bereitschaft“ (prontezza) von Statuen zu einer im nächsten Moment zu erwartenden Bewegung; die Emergenz der Farbigkeit sogenannter monochromer Skulptur; sowie die Transitorik feuchter Oberflächen von Brunnenskulpturen. Ich beziehe in meine Beobachtungen zeitgenössische naturphilosophische Überlegungen zur Verschränkung von Leben und Tod im lebendigen Körper mit ein.

Frank Fehrenbach ist ein Kunsthistoriker, der von 2005 bis 2013 als Senior Professor an der Harvard University lehrte, bevor er als Alexander von Humboldt-Professor an die Universität Hamburg ging. Seit 2019 ist er dort gemeinsam mit Co-Sprecher der DFG-Kollegforschungsgruppe „Imaginarien der Kraft“. Jüngste Buchpublikaitonen: Quasi vivo. Lebendigkeit in der italienischen Kunst der Frühen Neuzeit (2021); Leonardo da Vinci: Der Impetus der Bilder (2019).

 

Zur Ringvorlesung

Seitdem Pygmalion die von ihm gemachte Statue durch sein Begehren mit göttlicher Hilfe verlebendigte, beschäftigen sich die Künste mit der Materialität des menschlichen Körpers zwischen Leben und Tod, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Verlebendigung und Animismus. An Pygmalion und insbesondere an Galatea reflektieren sie sich in ihrem Kunststatus und in ihrem mimetischen Programm auch selbst. Pygmalions hypermimetisches Bild ist dabei vielleicht zugleich höchste Herausforderung wie schmählichste Kapitulation gegenüber der schärfsten Konkurrentin der Kunst, der Natur. Die Ringvorlesung verfolgt den Mythos, seine Tradierungen und seine Schichten der (Un-)Sinngebung von der Antike und bis in die Gegenwart. Ausgehend von der Meistererzählung Ovids und verwandter bildhafter Verwandlungen wie die von Narziss oder der Propoetiden geht es um künstlich hergestellte Statuen, die lebende Körper imitieren (die in der imaginativen Sphäre der Literatur oder Kunst selbst künstlich sind).

Die Ringvorlesung fragt nach dem Verhältnis des Körpers als materielles, unbelebtes Artefakt und als lebendiges Subjekt. Die künstlichen Objekte imitieren lebende Körper, sie können gesehen und berührt werden. Die Instrumente ihrer Wahrnehmung sind die Körper der Betrachter. In der Pygmalion-Variante des Typus durchläuft das materielle, unbelebte Körperobjekt eine Metamorphose, die es zu einem lebendigen Körpersubjekt macht, das freilich die Sphäre der künstlerischen Imaginiertheit nicht zu überschreiten vermag. Der Übergang zwischen dem Körper als (materielles) Objekt und als (handelndes) Subjekt ist fließend. Im Rahmen der Ringvorlesung werden Vertreter*innen der verschiedensten kulturwissenschaftlichen Disziplinen diese Spannung von Nachahmung und Beseelung, Imagination und Materialität, Körper und Körperfiktion, nicht zuletzt aber auch die Genderfrage zwischen Schöpfung und Schöpfenden beleuchten.

 

Webex Meeting Link:

https://uni-salzburg.webex.com/uni-salzburg/j.php?MTID=mb7bcae089b85beb6639cb66f38fc6ee1

 

Zeit / Ort: 22. März bis 21. Juni 2023, jeweils am Mittwoch 11.15 bis 12.45 Uhr, Unipark Nonntal, Erzabt Klotz-Str. 1, HS 3 Georg Eisler (E.003)

Ringvorlesung Pygmalion Frank Fehrenbach.ical

Konzeption, LV-Leitung: Manfred Kern, Romana Sammern

Bildnachweis: Jean-Léon Gérôme (1824–1904): Pygmalion und Galatea, um 1890. Öl/Leinwand, 88,9 × 68,6 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York. Foto: The Metropolitan Museum of Art