Reihe Artes "Künste und Wissenschaften": Sergius Kodera (Wien)

Sir Kenelm Digbys Sympath(et)isches Pulver. Ein Wundermittel des 17. Jh. zwischen literarischer Konstruktion, paracelsischer Medizin und frühmodernen effluvia-Theorien

In der Veranstaltungsreihe Artes: „Künste und Wissenschaften“ widmet sich Sergius Kodera der Magie im Zusammenhang frühneuzeitlicher Wissenspraktiken. Sein Vortrag beschäftigt sich mit der Transformation einer medizinischen Praxis an der Grenze zwischen ars medica, ars magica und ars rhetorica: der Paracelsus zugeschriebenen Waffensalbe. Diese wurde nicht dazu verwendet, die Wunde eines Patienten zu behandeln, sondern das Objekt, mit dem die Läsion verursacht worden war. Spätestens mit Ende des 16. Jh. war die (ohnedies stets mit magischen Künsten assoziierte) Fernwirkung des Pharmakons Gegenstand heftiger (theologischer) Kontroversen. Sie entzündeten sich insbesondere an den Ingredienzien (etwa menschliches Gehirn und Blut, also materia magica) des Medikaments und den mit seiner Anwendung einhergehenden Verfahrensweisen.
1658 erschien eine in den folgenden Jahrzehnten oft gedruckte und häufig übersetze Rede, in der Kenelm Digby zusammen mit einer modifizierten Rezeptur auch eine natürliche Erklärung der Wirkungsweise der Waffensalbe gibt (Discours fait en une célèbre assemblée, […] touchant la guérison des playes par la poudre de sympathie). Diese beruhe darauf, dass jene Blutpartikel (effluvia), die durch die Wunde ausgetreten waren, wieder in den Körper gezogen werden. Dies geschehe durch eine – der Fernwirkung des Magnetismus analoge – Anziehungskraft des Vitriols, der Wirksubstanz seines poudre sympathique. Der Vortrag erörtert die Strategien, mit denen der Discours die den artes magicae zuzuordnende Therapie der Waffensalbe in die Sprache der Korpuskulartheorien des 17 Jh. übersetzt. Zwar entwickelt Digby seine Theorie entlang traditioneller naturmagischer Theoreme von der universellen Sympathie und Antipathie aller Dinge, allerdings konzipiert er diese affektiven Bindungen entlang von mechanistischen Paradigmen. Eine zentrale Rolle in dieser Übersetzungsarbeit spielt die rhetorische Verfasstheit von Digbys Rede, in der auch die Affinität von artes magicae und artes rhetoricae sichtbar wird. So inszeniert sich der Autor im Discours geschickt als säkularer Wunderdoktor, und das in einem zeitgenössisch höchst virulenten Zusammenhang: nämlich als Heiler von in Duellen erlittenen Wunden. Der Vortrag wird zeigen, wie Digby die Fernwirkung des poudre de sympathie in enger Verbindung mit und Anlehnung an die (potentiell zweifellos vorhandenen) Fernwirkungen des literarischen Imaginären konstruiert und seinem Publikum glaubhaft machen will.

Sergius Kodera unterrichtet frühneuzeitliche Philosophie an der Universität Wien. Er übersetzt und forscht zu zentralen Autoren der Renaissance. Als Monographie erschien u.a. Disreputable Bodies: Magic, Medicine, and Gender in Renaissance Natural Philosophy (Toronto 2010); zuletzt Iconology. Neoplatonism and Art in the Renaissance. Perspectives and Contexts of a Controversial Alliance (Mithg. New York, London 2020). Weitere Informationen finden Sie hier

Volkhard Wels ist Professor für Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit an der Freien Universität Berlin. Als Monographie erschien u.a. Triviale Künste. Die humanistische Reform der grammatischen, dialektischen und rhetorischen Ausbildung an der Wende zum 16. Jahrhundert (Berlin 2000); zuletzt Der Begriff der Magie in Mittelalter und Früher Neuzeit (Mithg. Wiesbaden 2020). Weitere Informationen finden Sie hier

 

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Konzeption: Werner Michler, Thomas Assinger
Bildnachweis: Jacques Callot (1592–1635), Le duel à l’épée. Radierung (Wikimedia Commons).