10. März bis 30. Juni 2021: RINGVORLESUNG "DER TOD UND DAS MÄDCHEN"

Peter Deutschmann: [sic:] Die Tod, die leben lässt: Gor’kij, Gott und Stalin

Das Motiv „Tod und Mädchen“ und dessen unterschiedliche Behandlungen in der Bildenden Kunst, in der Musik und Literatur tangieren die großen existenziellen Fragen von Leben und Tod, Blüte und Verfall, Angst und Hoffnung und laden zu kulturwissenschaftlichen Befragungen ein:

Bei allen Anleihen aus der Folklore, die es einer historischen Zeit entheben, steht das 1892 entstandene Märchenpoem „Das Mädchen und der Tod“ (Devuška i smert’) von Maksim Gor’kij paradigmatisch für einen modernen Umgang mit dem Tod: Er soll nicht mehr unabwendbar sein. Im Poem sind das emphatisch gepriesene Leben und die kosmische Liebe stärker als „Frau Tod“ (in den slawischen Sprachen legt das feminine Genus eine Personifizierung des Todes als ‚altes Weib‘ nahe). Das Mädchen darf weiterleben, weil Frau Tod von der Kraft der Liebe beeindruckt ist. Zugleich mit der Idee von der Überwindung des Todes kann dieser wenig geschätzte Text aus dem Frühwerk mit Gor’kijs ambivalentem Verhältnis zu revolutionären Veränderungen in Verbindung gebracht werden: mit der Vergöttlichung des Menschen im sog. Gotterbauertum, mit Gor’kijs Vorbehalten gegenüber der bolschewistischen Machtergreifung 1917 wie weiters mit seinem Einverständnis, als oberster Propagandist des Sozialistischen Realismus auch die Brutalität bei der Umformung von Mensch und Gesellschaft zu rechtfertigen.

Peter Deutschmann, geb. 1968 in Graz. 1987-1994 Studium der Slawistik und Germanistik an der Universität Graz. Studien- und Forschungsaufenthalte in Russland sowie in der Tschechischen Republik und Polen. Die Dissertation (Graz 2001) ist unter dem Titel Intersubjektivität und Narration. Gogol’, Erofeev, Sorokin, Mamleev erschienen, die Habilitation (Graz 2012) Allegorien des Politischen. Zeitgeschichtliche Implikationen des tschechischen historischen Dramas 2017. Publikationen zur russischen und tschechischen Literatur und Kultur sowie zur allgemeinen Literatur- und Kulturtheorie (vgl. www.academia.edu [Peter Deutschmann]). Seit 2013 Professor für Slawische Kultur- und Literaturwissenschaft an der Universität Salzburg. Mehr zu Publikationen und Forschung

 

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Konzeption, LV-Leitung: Peter Deutschmann, Manfred Kern

Ort/Zeit: Online via Webex, jeweils am Mittwoch 17:15 bis 18:45h

Bildnachweis: Hans Baldung Grien, Der Tod und die Frau, 1518/20, Kunstmuseum Basel, Quelle: Wikipedia (gemeinfrei)