Michael Hagemeister

„Sterbliche aller Länder, vereinigt euch!“ – Nikolaj Fëdorovs Projekt zur Überwindung des Todes zwischen christlicher Eschatologie und Transhumanismus

Unsterblichkeit ist ein alter Menschheitstraum. Das Christentum verheißt ewiges Leben im Jenseits, doch ist dies attraktiv nur für die Schar der Auserwählten, der „massa damnata“ drohen endlose Qualen in den Folterkammern der Hölle. Kalifornische Tech-Pioniere träumen hingegen von einer durchaus angenehmen unbegrenzten Existenz, wenn auch nur als Simulation im virtuellen Raum eines Supercomputers. Beiden Konzepten soll ein Projekt gegenübergestellt werden, das der russische Philosoph Nikolaj Fëdorov (1829-1903) entworfen hat: Die Überwindung des Todes und die materielle Wiederherstellung aller vergangenen Geschlechter mit ausschließlich wissenschaftlich-technischen Mitteln. Fëdorov wendet sich sowohl gegen den „doppelten Ausgang“ des Jüngsten Gerichts als auch gegen eine Idee des Fortschritts, die den Tod akzeptiert und das vergangene Leiden ignoriert. Von allen für alle geschaffen, verwirklicht sein innerweltliches Paradies die Einheit aller Menschen in Raum und Zeit und kennt weder „Verdammte“ noch „Opfer der Geschichte“. Im postsowjetischen Russland gilt Fëdorov als religiöser Denker, während Transhumanisten ihn als Begründer des „wissenschaftlichen Immortalismus“ verehren. Beide Deutungen werden seiner Originalität jedoch nicht gerecht.

Michael Hagemeister, geboren 1951, ist Historiker und Slawist mit Schwerpunkt auf russischer Philosophie und Geistesgeschichte, Antisemitismus und Okkultismus und den Protokollen der Weisen von Zion. Er studierte Geschichte, Slawistik, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Basel und Marburg an der Lahn. Nach der Promotion 1989 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Gastdozent und Lehrbeauftragter an den Universitäten Marburg, Innsbruck, Bochum, Frankfurt an der Oder und Basel. Von 2009 bis 2011 vertrat Hagemeister die Professur für Osteuropäische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und 2011 sowie von 2013 bis 2014 an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Bis 2018 war er an der Ruhr-Universität Bochum als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte tätig.

Wichtige Publikationen in Auswahl: Nikolaj Fedorov. Studien zu Leben, Werk und Wirkung, München 1989. Die Neue Menschheit. Biopolitische Utopien in Rußland zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Hrsg. mit Boris Groys; Frankfurt a. M. 2005. Die Fiktion von der jüdischen Weltverschwörung. Zu Text und Kontext der „Protokolle der Weisen von Zion“. Hrsg. mit Eva Horn, Göttingen 2012. The Perennial Conspiracy Theory: Reflections on the History of The Protocols of the Elders of Zion. London 2022.

 

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Konzept: Peter Deutschmann

Bildnachweis: Filmstill aus Immortality and Resurrection for All! (Anton Vidokle, 2017)

Impressionen "Michael Hagemeister: „Sterbliche aller Länder, vereinigt euch!“ – Nikolaj Fëdorovs Projekt zur Überwindung des Todes zwischen christlicher Eschatologie und Transhumanismus", 31.5.2022

Fotos: Vivian Nattrodt