ONLINE AUSSTELLUNG IM RAHMEN DER LEHRVERANSTALTUNG “KUNST UND KÖRPER”

KUNST UND KÖRPER

Können menschliche Körper von Natur aus vollkommen schön sein? Thema der Lehrveranstaltung waren Normen und Techniken der ästhetisierenden Bearbeitung des menschlichen Körpers in Kunst und Theorie, wie sie seit der Antike immer aufs Neue entwickelt wurden. Im Zentrum der Vorlesung mit Übung standen Ideale und Normvorstellungen des menschlichen Körpers sowie Kontinuitäten und Veränderungen zu Vorstellungen, künstlerischen, kosmetischen wie medizinischen Praktiken und Instrumenten zur Regelung, Steigerung oder Erzeugung körperlicher Schönheit. Kunst und Techniken der Körperbearbeitung stehen dabei in einem spannungsvollen Wechselverhältnis, in dem die Mittel und Leitprinzipien beider Bereiche sich gegenseitig beeinflussen oder sich überschneiden. In der Lehrveranstaltung haben wir diese Verflechtungen von Kunst und Leben in einer Kombination aus theoretischen Impulsen und Reflexionen, Artist Talks sowie eigenständigen Bearbeitungen des Themas in Theorie und Praxis beleuchtet. Die Ausstellung zeigt die individuellen Auseinandersetzungen der Studierenden.

 

LV-Leitung: Romana Sammern

Bildnachweis: Albrecht Dürer (1471-1528): Vier Bücher von menschlicher Proportion, 1528. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Foto: Anagoria/Wikipedia Commons

ANNA VOLK: KÖRPERKUNST – KUNSTKÖRPER
Adern, Haare, Gewebe und Muskeln werden bei näherer Betrachtung zu geschwungenen Linien, geometrischen Strukturen und abstrakten Figuren. Wo beginnt die Kunst und wo endet der Körper?
Mit dieser Frage setzt sich diese Makrofotografie-Serie auseinander. Neben dem Konzept der extremen Vergrößerung spielt die Bildbearbeitung eine Rolle, da sie die unterschiedlichen Körperstrukturen herausarbeitet. So wird Kunst und Körper in diesem Werk zu Körperkunst verschmolzen.

BELINDA ZIPPUSCH: BODYSHAPES
In diesem Projekt habe ich mich mit der Form und Ästhetik des menschlichen Körpers auseinandergesetzt. Dabei ging es vor allem um die Abstraktion durch Dekontextualisierung einzelner Körperpartien. Fernab von konstruierten Schönheitsidealen wird der Körper in seinerMaterialität, seiner Formenvielfalt und ästhetischen Eigenschaften zum Gegenstand der Untersuchung.

Zippusch: Bodyshapes

 

LUISA ZORNEMANN: SCHMINKE IM ANTIKEN CHINA – DIE TANG DYNASTIE
Das Padlet kontextualisiert die Schminkstile der Tang Dynastie

 

ALESSANDRA VITALE: ÜBER DIE PROPORTION DER FRAU
Diese Arbeit rezipiert die Proportionsvorstellungen der Antike und Renaissance mit besonderem Bezug aut die Darstellung des vitruvianischen Menschen von Leonardo Da Vinci um 1490. Sie soll zeigen, dass Frauen seit der Antike bis heute nicht in das gesellschaftlich vorgegebene Schema von Vollkommenheit und Perfektion passen – und dass das auch gar nicht notwendig ist.
Die Frau streckt sich dem geometrischen Rahmen Da Vincis und Vitruvs entgegen und versucht, dem von Männern für Männer konstruierten Schema vermeintlicher Vollkommenheit zu entsprechen. Egal ob von körperlicher Proportion oder persönlicher Vollkommenheit im Berufs- oder Privatleben die Rede ist, damals wie heute ist es für Frauen deutlich schwieriger als für Männer, ein Ideal zu erreichen.  Warum es eine Skulptur und keine Zeichnung geworden ist, und welche Bedeutung das Material hat, können Sie dem Poster entnehmen.

Vitale: Proportionsstudie

 

LISA KRANABETTER: GLEICHMASS
Die ersten Impulse zu der Idee kamen durch die Arbeiten des Wiener Künstlers TOMAK (Ecce Machina), der in seinen eindrucksvollen Werken die Themen menschlicher Körper und das Selbstbild zwischen Kunst und Wissenschaft anhand von Assoziationen zu Körperlichkeit von Mensch und Maschine wiedergibt. In meiner Arbeit zeige ich neue Formen des Maßnehmens – nicht wie bei Leonardo da Vinci, der die Schnittstellen der Körperachsen unterteilt, sondern nach dem Proportionsideal unserer Zeit. Dem 90-60-90 Maß und auch den Maßnormen heutiger Konfektionsgrößentabellen. Nicht die Abstände zwischen den Gelenken als Maßeinheit wie Palm (vier Finger, eine Handfläche) sind die Norm. Überschüssiges, das nicht dem Norm Bild entspricht, soll entfernt werden. Die strichlierten Linien kennt man von Schönheits-OPs. Frühere Maßeinheiten wurden nach dem Körpermaß konstruiert. Heutige Körper werden einem von der Gesellschaft konstruierten Maß angeglichen. Um auf die Diskussion mit Irini Athanassakis Bezug zu nehmen, habe ich versucht Mutterschaft von seiner rein körperlichen Seite darzustellen, und ihre „Abnutzungserscheinungen“ aufgezeigt. Auch das Gebot, aufgrund der Corona-Pandemie Abstand zu halten, ist ein neu gedachtes Maß-Verständnis, dass uns betrifft. Maß als Sicherheit – Sicherheitsabstand.

 

RUTH BERLETH: VITRUVIANISCHE FRAU – DORYPHORA
Auf einem kreisrund ausgeschnittenen, mit weißer und blauer Acrylfarbe grob grundierten Stück Pappe sind die Rötelzeichnung einer Frau sowie ein Zierrand zu sehen. Angelehnt an das Motiv des vitruvianischen Menschen von Leonardo Da Vinci hat sie die Arme nicht, wie ihr männliches Pendant ausgebreitet. Diese hängen stattdessen entspannt nach unten. Mit gleichgültigem Gesichtsausdruck protestiert mein schematisches Motiv einer Frau gegen die Exklusion weiblicher Körper aus der Proportionslehre, welche in der griechischen Antike und wieder während der Renaissance die Ansicht vertrat, Frauen hätten keine Proportionen.
In Korrespondenz zu der, auf einem runden Bildträger dargestellten Frau, steht die Rötelzeichnung einer weiteren weiblichen Figur auf rechteckiger, weiß und blau grundierter Pappe. Es handelt sich um eine Aktzeichnung. Das Modell nahm die Pose der berühmten Statue Doryphoros (Speerträger), des in der griechischen Antike tätigen Bildhauers Polyklet ein, dessen Statuen männlicher Körper einen Idealtypus des antiken, griechischen, männlichen Körperbildes darstellten. Die Wahl dieser Motivvorlage soll ein Hinweis darauf sein, dass veraltete, misogyne Schemata, wie die Vernachlässigung der Proportionalität von Frauen, in der Vergangenheit gelassen werden können. Die Zeichnungen mit Rötel nehmen in ihrer Ästhetik Bezug auf die Zeichnungen Albrecht Dürers, der als einer der Ersten mehr Vielfalt menschlicher Körper in seiner Proportionslehre vertrat.

 

TAMARA RANFTL: WAS IST SCHÖNHEIT? WER MACHT SIE?

Ranftl: Schönheit

 

CORINA LASSHOFER: FAULES OBST STATT FLEISCH

Hermann Nitsch ist ein österreichischer Maler und Aktionskünstler des Wiener Aktionismus.Besondere Bekanntheit bekam er durch das „Orgien Mysterien Theater“, daslaut ihm die „seinmystische verherrlichung unseres hierseins“ als Ziel hat. Die Akteure nehmen degoutanteMaterialien wie tierisches Fleisch und Gedärme, Exkremente und dazugehörige Flüssigkeiten wieschlachtwarmes Blut in Gebrauch, um sich vor einem Publikum damit zu überziehen. Unter Genussund Lust solle eine Zurückbesinnung auf die Triebhaftigkeit entstehen.In dieser Abschlussarbeit möchte ich die Methode Nitschs in Frage stellen. Im ubiquitären Raumwären Nitschs Umsetzungen nicht denkbar, was auch seine Gefängnisaufenthalte aufgrund desOMT gezeigt haben. Neutralisiert und rechtfertigt die „künstlerische Freiheit“ hier möglichebarbarische und fetischistische Absichten? Was trägt die Verwendung der prekären Materialien wirklich zur seiner These bei? Sind sie subsidiär oder nicht doch entbehrlich?

Laßhofer: Nitsch

 

VICTORIA KNAPP: KUNST(WERK?) – KUNSTWERK!
Ist das Wesen – in diesem Fall: Zusammenspiel von Körper und Geist – als ein ästhetisierendes Kunstprodukt zu verstehen? Ich habe aus der Lehrveranstaltung mitgenommen, dass Kunst im Zusammenhang mit Körper oft als ein Synonym für Ideale in der Gesellschaft steht. In meiner Arbeit, die ich an den Werken von TOMAK inspiriert sehe, will ich den Individualismus innerhalb dieser Ideale thematisieren. Der gesamte Hinterkopf Bereich mitsamt Hals und Nacken ist in geometrischen, mechanisch wirkenden Formen ausgearbeitet. Ideale werden demnach im Kopf erzeugt und strukturiert. Im Gegensatz dazu steht die geschwungene, nicht geometrische rote Linie. Sie soll die mündlich produzierten Manifestationen darstellen, die oft nur knapp an diesen gefestigten Idealen vorbeikommen. Auch das Gesicht ist nicht klar identifizierbar. Niemand sieht sich selbst als „richtiges“ Produkt der Gesellschaft vor sich. Jeder hat Vorbilder, die er unbewusst mit sich abgleicht. Das Gesicht kann also jeder mit seiner eigenen Projektion füllen. Die Erkenntnis aus der Lehrveranstaltung ist für mich, dass alle diese Ideale im Gleichgewicht mit dem Individuum leben müssen, um fruchtbar sein zu können und als ein echtes Werk der Kunst (Kunstwerk!) zu bestehen.

Knapp_Kunstwerk

 

REBECCA KAHR: TON/BETON/PERLEN/GLITZER/ACRYLFARBE/GLASPRISMA
Der menschliche Körper wirft immer wieder neue Fragen auf, genauso wie der Blick auf den menschlichen Körper. Fetische und voyeuristische Ansichten auf vor allem den weiblichen Körper stehen im Gegensatz zu der feministischen Befreiung – warum werden FLINTA-Körper objektifiziert und genauer betrachtet als Männerkörper? Diese Arbeit präsentiert weibliche* Körpermerkmale und setzt einen feministischen Blick darauf fest, welcher die Körperteile zelebriert und nicht als Objekt annimmt – eingebettet in die Natur und mit dem Versprechen des Regenbogens der Liebe durch ein Glasprisma. Körperteile wurden aus Ton und Bastelbeton geformt und mit Acrylfarbe, Perlen und Glitzer verziert. Fotografiert wurden sie im Freien auf Moosboden und einem Glasprisma für den Lichteffekt.

Kahr_Konzept

 

ANTONELA DILBER: MUTTERLEID UM 1900
Um 1900 war ein größerer Teil der Schwangerschaften ungewollt. Eine Schwangerschaft bedeutete eine Katastrophe für sozial unprivilegierte Frauen als uneheliche Geliebte bürgerlicher Männer, für missbrauchte Hausangestellte und für Ehefrauen, die schon viele Kinder hatten. Abtreibungen waren illegal und lebensgefährlich. Die Methoden, die von Personen ohne ausreichende medizinische Ausbildung verwendet wurden, endeten in vielen Fällen mit dem Tod von Mutter und Kind. Die Realität der Mütter war schwierig.

Dilber_Mutterleid

 

FLORA PLATZER: wORTwÖRTLICH
Die Wörter „Kunst und Körper“ sind mit Leerzeichen, also KUNST(Leer)UND(Leer)KÖRPER, 16 Zeichen. Dazu wurden 16 öffentlich frei zugängliche Kunstwerke aus dem Würth Skulpturen Garten bei Schloss Arenberg in der Stadt Salzburg ausgewählt und je 2 Fotos dazu gemacht: einmal von dem jeweiligen KUNSTwerk UND einmal von einem KÖRPER(-teil) dazu /darauf /daneben /dahinter /davor /darin /darunter /…
Zu den Anfangsbuchstaben der 16 Zeichen wurden 16 Assoziationswörter gefunden und diese kombiniert mit den Kunstwerken ergab die Reihung der Fotos. Auch hier haben somit Wörter einen großen Einfluss in das Projekt gehabt.
Fotos: Flora und Hugo Platzer