Resilienz als Ausweg aus der Krise

Text: Elisabeth Klaus

Inzwischen wird der Begriff inflationär gebraucht. An dieser Ausweitung auf alle gesellschaftlichen Bereiche entzündet sich zunehmend Kritik, auch weil das Konzept damit seiner theoretischen Basis beraubt wird. Eingebunden in einen neoliberalen Diskurs trägt die Forderung nach Resilienz mitunter zur Individualisierung gesellschaftlicher Problemlagen bei. Für den homo resiliens wird laut Stefanie Graefe das Aushalten zur Maxime: „Resilienz verspricht ein besseres Durchkommen durch die Krise – nicht eine Veränderung der Verhältnisse.“ Als strategisches Staatsziel dient Resilienz zur Sicherung des Status Quo und verhindert grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, um tiefgreifende Krisen zu bewältigen oder ihnen vorzubeugen.
In Bezug auf die Klimakrise hat die Schriftstellerin Kathrin Röggla formuliert: „Ich gehe davon aus, dass Kunst etwas ist, dass dem Nachhaltigkeitsgedanken dienlich ist. Wenn ich jetzt sage, unsere Mentalität muss sich ändern, unser Handlungsmuster muss sich ändern, unsere politischen Entscheidungen müssen sich ändern, dann ist Kunst etwas, das dafür gut ist.“ Kunst und Kultur regen zum Nachdenken jenseits eingefahrener Wege an und sie können neue Perspektiven eröffnen. Können, sollen, wollen sie auch dem Resilienzgedanken dienlich sein oder stehen sie quer dazu? Das Kunst- und Kulturfeld selber durchzieht diese Ambivalenz: Einerseits sind Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen gezwungen, „kreativ“ und resilient auf die Corona-Krise zu reagieren, andererseits wird genau dadurch das Fortbestehen der prekären Verhältnisse zementiert, in denen sich viele von ihnen befinden.
Mit unserem erweiterten W&K-Forum zur Resilienz sollen diese und andere Fragen aufgegriffen werden, indem vielfältige Stimmen dazu von Künstler*innen, Kulturakteur*innen und Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen in einen virtuellen Dialog miteinander treten. Ab Februar 2021 finden Sie dazu auf unserer Website unterschiedliche Beiträge, die bis zum April fortlaufend ergänzt werden.

Weiterführende Literatur:

Bröckling, Ulrich (2017): Resilienz. Über einen Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts. Online unter: https://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/broeckling/broeckling-resilienz (22.1.2021).

Graefe, Stefanie (2021): „Resilienz ist ein Alternativangebot zur Kritik“ im Interview mit Beate Hausbichler. In: derstandard.at vom 6.1.2021. Online unter: https://www.derstandard.at/story/2000122671694/soziologin-graefe-resilienz-ist-ein-alternativangebot-zur-kritik (22.1.2021).

Graefe, Stefanie (2019): Resilienz im Krisenkapitalismus. Wider das Lob der Anpassungsfähigkeit. Bielefeld: transcript.

Röggla, Kathrin (2018): „Kunst ist dem Nachhaltigkeitsgedanken dienlich.“ Geben wir der Zukunft Hoffnung! – Forum Langenlois II. Teilnehmerliste. Online unter: https://www.nachhaltigkeitneudenken.org/geben-wir-der-zukunft-hoffnung/ (22.1.2020).

ein baum wächst aus asphalt

28.01.2021

Resilienz ist in aller Munde. Resilienz benennt die individuelle Fähigkeit, auf widrige oder bedrohliche Situationen durch Anpassung und Veränderung zu reagieren, und scheint zum zentralen Begriff geworden zu sein, wenn es um die Bewältigung der Coronapandemie und anderer gesellschaftlicher Krisen im Anthropozän geht.