Partizipative Forschung


Wenn von partizipativer Forschung die Rede ist, steht zuallererst die Frage, wozu Forschung stattfindet. Zielt die Erforschung der sozialen Welt auf ihre Beschreibung und Reproduktion oder auf ihre Veränderung?

 

Mit den Begriffen „partizipative Forschung“, „Aktionsforschung“, „Teamforschung“, „participatory action research“, „community-based participatory research“ etc. werden unterschiedliche Ansätze partizipativer Forschungspraxen benannt, denen allen gemeinsam der Anspruch des Eingreifens in gesellschaftliche Kontexte und deren Veränderung durch das gemeinsame Forschen ist (vgl. Reason/Bradbury 2001; Kindon/Pain/Kesby 2010). Sie alle stellen die Definitionsmacht der Forscherin oder des Forschers und der akademischen Institution in Frage und teilen den Wunsch, aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft herauszutreten.

 

Partizipative Forschung in der Tradition der Aktionsforschung rückt den Begriff der Partizipation anstelle der Aktion stärker in den Mittelpunkt (vgl. von Unger 2014: 3). Hella von Unger versteht partizipative Forschung als Beispiel dafür, wie sich Grenzen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verschieben und neue Formen der Wissensproduktion entstehen (vgl. von Unger 2014: 6). Forschen wird hier als kollaborative Wissensproduktion verstanden. Durch den wiederkehrenden Zyklus von Aktion und Reflexion im Forschungsprozess wird situatives Wissen produziert, das als Erfahrung übertragbar ist und als Teil von Bildungs- und Politisierungsprozessen gesehen werden kann. Die partizipative Forschung setzt beim gemeinsamen Dekonstruieren und Hinterfragen von Machtverhältnissen an, darauf aufbauend werden Strategien der Intervention entwickelt, die auf Prozesse der Aneignung, Selbstermächtigung und Transformation zielen. Innerhalb eines partizipativen Forschungsprozesses kann es unterschiedliche Ebenen und Phasen mit jeweils mehr oder weniger Beteiligung und Mitbestimmung der Co-Forscher_innen geben – je nach dem definierten Erkenntnisinteresse und Forschungsdesign (vgl. Wright 2010: 42).

 

Ansätze der partizipativen Forschung wurden ebenfalls im Feld der Kunstvermittlung aufgegriffen (Mörsch 2008, Landkammer 2012; Settele 2012). Die vom Institute for Art Education der Zürcher Hochschule der Künste praktizierte Teamforschung (Mörsch 2008) versucht, so Carmen Mörsch, „Forschung und Entwicklung interdependent zu verstehen und als einen vielstimmigen Prozess der Mitbestimmung und -gestaltung zu konzipieren“ (Mörsch 2008: 174). Partizipative Forschung ist dabei nicht nur Werkzeug zur Weiterentwicklung der kritischen Kunstvermittlung, sondern konstitutiver Bestandteil eines Methodensets zur gesellschaftskritischen, partizipativen Bildungs- und Kulturarbeit (vgl. Zobl/Huber 2016).

 

von Laila Huber und Elke Zobl

 

 

Literatur:

 

Kindon, Sara/ Pain, Rachel/Kesby, Mike ([2007] 2010): Participatory Action Research Approaches and Methods. New York: Routledge.

 

Landkammer, Nora (2012): Vermittlung als kollaborative Wissensproduktion und Modelle der Aktionsforschung, in: Settele, Bernadette / Mörsch, Carmen (Hg.), Kunstvermittlung in Transformation. Zürich: Scheidegger&Spiess, S. 199-211.

 

Mörsch, Carmen (2008): Regierungstechniken und Widerstandspraxis: Vielstimmigkeit und Teamorientierung im Forschungsprozess, in: Pinkert, Ute (Hg.), Körper im Spiel. Wege zur Erforschung theaterpädagogischer Praxen, Berlin, Milow, Straßburg, S. 173-186..

 

Reason, Peter/ Bradbury Hilary (Ed.) (2001): Handbook of Action Research. London: Sage.

 

Settele, Bernadette (2012): Umständliche Transformationen? Kunstvermittlung entwickeln durch teambasierte Aktionsforschung. In: Settele, Bernadette/ Mörsch, Carmen (Hg.) (2012): Kunstvermittlung in Transformation, Zürich: Scheidegger & Spiess, S. 150-170.

 

Von Unger, Hella (2014): Partizipative Forschung. Einführung in die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer.

 

Wright, Michael (Hg.) (2010): Partizipative Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung und Prävention. Bern: Hans Huber.

 

Zobl, Elke / Huber, Laila (2016): Making Art – Taking Part! Negotiating participation and the playful opening of liminal spaces in a collaborative process, in: Conjunctions. Transdisciplinary Journal of Cultural Participation, Volume 1 2016 „Playful Participation“. Online: http://www.conjunctions-tjcp.com/article/view/23644/20698