Liminaler Raum: Intervention und Partizipation im Kontext eines Zwischenraums


 

Welcher Raum wird im Projektprozess im Kontext der Schule und in der Zusammenarbeit zwischen den Schüler_innen, Künstler_innen und Wissenschafter_innen hergestellt? Um das Öffnen eines uneindeutigen Raums, den sich die Handelnden erst durch das gemeinsame, spielerische Erproben und Erforschen aneignen, sowie Prozesse der Teilhabe und des Intervenierens zusammendenken zu können, greifen wir in Anlehnung an Victor Turner (1989a, b) auf den Begriff der „Liminalität“ zurück (s. ausführlich dazu Zobl/Huber 2016).

 

Liminalität (von lat. limen – die Schwelle) beschreibt bei Turner (1989a, b) einen Zustand der labilen Zwischenexistenz, der den Übergang und eine Neu-Definition von Identität markiert und somit kulturelle Spielräume für Experimente und Innovation eröffnet. Die liminale Erfahrung impliziert das In-Bewegung-Sein und die stetige Aktualisierung von sozialen Beziehungen und Strukturen und weist dabei auf ihre soziale Konstruktion und somit auf ihre Veränderbarkeit hin.

 

Den Aspekt des kontinuierlichen Verhandelns und Aktualisierens oder Veränderns sozialer Beziehungen und Machtverhältnisse, der im Begriff der Liminalität steckt, greift Paula M. Hildebrandt (2013) auf und verbindet ihn mit jenem der künstlerischen Intervention (zum Begriff der Liminalität im Kunstkontext s. auch Erika Fischer-Lichte 2004). Dazu setzt Hildebrandt das Moment des Initiierens in den Vordergrund und fasst Intervention als eine Strategie bzw. Form von Partizipation – im Sinne der Ausverhandlung von Gemeinschaft/Zusammenleben – auf. Sie versteht Intervention als ein Moment des „Umbruchs und potentiellen Aufbruchs“ (Hildebrandt 2013: 147) und fragt: „Welche Möglichkeiten ergeben sich durch diese Potentialität eines kontinuierlichen Neubeginns für Artikulations- und Ausdrucksprozesse demokratischer Selbstbestimmung?“ (Hildebrandt 2013: 147). Die Intervention schafft einen Zwischenraum, um Fragen nach Ein- und Ausschlüssen zu stellen (Hildebrandt 2013: 148): „Die Intervention, das heißt der Einbruch in gewohnte Handlungsweisen und Routinen, beinhaltet dabei nicht nur die Chance zum Perspektivenwechsel und Neubeginn, also die Schwelle zu übertreten, sondern eröffnet zugleich einen Zwischenraum, um quasi auf der Schwelle grundlegende Fragen nach der Konstitution von Ordnungen, von Ein- und Ausschluss, anders zu perspektivieren.“ (Hildebrandt 2013: 148)

 

Ausgehend von Hildebrandts Überlegungen zum liminalen Charakter der Intervention und der darin bestehenden Möglichkeit für Artikulationsprozesse demokratischer Teilhabe, fragten wir im Projektprozess nach Momenten des „Umbruchs und potentiellen Aufbruchs“ – übersetzt in den Diskurs der kritischen Kunstvermittlung könnten diese als Momente und Prozesse der Dekonstruktion, des Verlernens und der Selbstermächtigung verstanden werden (Zobl/Huber 2015, 2016). Diese Momente verhandelten wir gemeinsam mit den Jugendlichen und versuchten dabei liminale Räume zu öffnen.

 

von Laila Huber und Elke Zobl

 

 

Literatur:

Fischer-Lichte, Erika (2004): Ästhetik des Performativen. Frankfurt: Suhrkamp.

 

Hildebrandt, Paula M. (2013): Staubaufwirbeln. Oder die Kunst der Partizipation. Dissertation an der Fakultät für Architektur an der Bauhaus Universität Weimar.

 

Turner, Victor (1989a [1969]): Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur. Frankfurt/New York: Campus.

 

Turner, Victor (1989b [1982]): Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. Frankfurt/New York: Edition Qumran, Campus.

 

Zobl, Elke/ Huber, Laila (2015): Fragen, verlernen, intervenieren, teilhaben.

 

Kulturelle Interventionen und kritische Kunstvermittlung, in: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , http://www.p-art-icipate.net/cms/fragen-verlernen-intervenieren-teilhaben/

 

Zobl, Elke/Laila Huber (2016): Making Art – Taking Part! Negotiating participation and the playful opening of liminal spaces in a collaborative process, in: Conjunctions. Transdisciplinary Journal of Cultural Participation, Volume 1 2016 „Playful Participation“. (peer reviewed) http://www.conjunctions-tjcp.com/article/view/23644