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L'amour fou

Öffentliche Ringvorlesung veranstaltet von Arts & Humanities, W&K

06. März bis 26. Juni 2013, Unipark Nonntal

 

Im Rahmen der Programmschiene künstlerische Ästhetik geht die Ringvorlesung dem Phänomen der literarischen und künstlerischen Darstellung einer Liebe nach, die Grenzen gesellschaftlicher und individueller Normen sprengt, von antiken Gestalten wie Dido, Pentesilea, Medea bis zu dem surrealistischen Konzept des „Amour fou", wie es von André Breton gegen die abendländische Rationalität entwickelt wurde.

 

Beginn: Mittwoch, 06. März bis 26. Juni 2013, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003 Flacher Hörsaal / G. Eisler)

 

Themenübersicht

Programmkarte

Plakat

 

 

Konzeption: Manfred Kern (Germanistik), Peter Kuon (Romanistik)

Bildquelle: Franz Stassen, "Francesca da Rimini" (©musei@comune.rimini.it, 2012 Women in Hell)

 

Impressionen aus der Ringvorlesung "L'amour fou"

Manfred Kern, Peter Kuon, 06.03.13
Bildmaterial, 13.03.13
Publikum, 08.05.13
Robert Folger, 13.03.13
Manfred Kern, Peter Kuon, 06.03.13
Robert Folger, 13.03.13
Robert Folger, 13.03.13
Peter Kuon, 24.04.13
Norbert Christian Wolf, 26.06.13
M. Kern, N. Chr. Wolf, 26.06.13
Bildmaterial, 08.05.13
Peter Kuon, 24.04.13
Ralph Poole, 29.05.13
Margot Geelhaar, 08.05.13
Werner Michler, 15.05.13
Christopher Laferl, 22.05.13
Danièle James-Raoul, 19.06.13
Ralph Poole, 29.05.13
Bildmaterial, 15.05.13
Oliver Jahraus, 05.06.13
P. Kuon, D. James-Raoul, 19.06.13
Oliver Jahraus, 05.06.13
Werner Michler, 15.05.13
Publikum, 26.06.13
Peter Kuon

Mittwoch, 06. März, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

In seinem 1937 veröffentlichten Essay L'amour fou, einer eigenartigen Mischung aus Traum, Erzählung, Poesie, Autobiographie, Reisebericht und Photographie, entwickelt André Breton, der Gründervater des Surrealismus, die Idee einer absoluten Liebe an der Grenze zum Wahn(sinn), die er der Trennung von Körper und Geist in der abendländischen Zivilisation entgegenstellt. Breton reklamiert diese absolute, freie, revolutionäre, skandalöse, jede Norm, jede Rationalität sprengende Liebe für den Surrealismus. In Wahrheit hat sie freilich ihre lange und verschlungene Geschichte und stellt in allen Epochen ein zentrales Faszinosum der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Liebe dar. Die Ringvorlesung sucht diese vielfältigen Genealogien in Literatur, Malerei, Theater, Oper, Film und Musik nachzuzeichnen.

 

Im Zentrum sollen die je spezifischen historischen Konzepte von Liebeswahn und krankhafter Liebesfixierung stehen, die zugleich nach ihrer transhistorischen Wirksamkeit zu befragen sind. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang auch Interdependenzen zwischen den Kunstgattungen sowie das mitunter besondere Faible bestimmter Genres für den Liebeswahnsinn in den unterschiedlichen Epochen. Besonders signifikante Beispiele hierfür könnten der moderne Film oder schon die Barockoper geben, die die thematische Substanz in einer entsprechenden musikalischen Formensprache spiegelt.

 

Zu diskutieren sind einschlägige, möglicherweise konstante oder über Epochenschwellen hinaus kommunizierte Rhetoriken, Metaphoriken, Ikonographien und Ikonologien, durch die die neuralgischen Dispositionen, Pathogenesen und Pathologien des erotischen Furors überhaupt erst ästhetisch geprägt werden, man denke beispielsweise an Bildbereiche des Bindens, Fesselns oder (Ver-)Blendens oder an körperliche Ausdrucks- und Erscheinungsformen der Entblößung, Verwilderung und Versehrung. Zu einer künstlerisch und zugleich soziokulturellen Topologie des amour fou zählen zudem entsprechende Dramaturgien und Topographien wie der Ausbruch aus dem gesellschaftlichen Raum (Yvain und Orlando) oder der Einschluss in die Kammer (Dido), wobei schon diese Beispiele auf signifikante geschlechtertheoretische Codierungen hinweisen.

 

Was die Relevanz des Themas für die Frage nach anthropologischen und psychologischen Semantiken in den Künsten angeht, sei auf die übersubjektiven, allegorisch-mythischen Instanzen verwiesen, die - sei es in Gestalt von Amor oder Minne, sei es in Form eines kontingenten Einflusses wie bei Bretons Spaziergang am Meer - auf das liebende Subjekt einwirken. Der dialektische oder auch paradoxe Effekt ist dabei, dass im Prozess des Selbstverlusts zugleich Identität konstituiert wird. Darauf deuten schon die großen Beispielgestalten des amour fou hin, deren unverwechselbarer Charakter gerade aus einer radikalen Erfahrung der Destruktion ihres sozialen Status, ihrer Geisteskraft und ihrer körperlichen Integrität resultiert.

Von der Liebeskrankheit zum Liebeswahn in der frühneuzeitlichen spanischen Literatur, Robert Folger (Utrecht)

Robert Folger

Mittwoch, 13. März, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Von der Antike bis in die Frühneuzeit beschreiben wissenschaftliche und philosophische Diskurse ("Vermögenspsychologie") die leidenschaftliche Liebe als pathologisches Phänomen (amor hereos) mit fatalen Konsequenzen für das spirituelle und körperliche Wohl der Liebenden. In der vormodernen Liebeslyrik und der damit verbundenen sozialen Praxis der "höfischen Liebe"wird die Liebeskrankheit als edles Leiden resemantisiert, das den Patienten als maskulines Subjekt nobilitiert. Während das medizinisch-psychologische Model bis ins 18. Jahrhundert hinein im Wesentlichen unverändert bleibt, zeichnet sich in der frühneuzeitlichen Literatur eine Krise der mittelalterlichen Liebeskonzeption ab, die eine Ablösung vormoderner Subjektivität anzeigt: Als die wissenschaftlichen Diskurse starke Subjektivität nicht mehr modellieren können, wird die literarische Imagination zum Leitdiskurs dieser Umstellung, die sich wesentlich in veränderten Liebeskonzeptionen manifestiert.

 

In Diego de San Pedros Cárcel de amor (Das Liebesgefängnis; 1492) ist die leidenschaftliche Liebe noch allgemein akzeptierte Realität, doch zeichnet sich im letztlich sinnlosen Liebestod des Protagonisten der Legitimitätsschwund traditioneller Modelle maskuliner Subjektivität ab. Im zweiten Teil von Cervantes' Don Quijote (1615) ist die imaginierte, leidenschaftliche Liebe des Ritters zu seiner Dulcinea das Rückgrat des Plots und letztlich Ursache des Scheiterns seiner Mission. Obwohl Cervantes die Psychologie seines Helden getreu den Grundsätzen der pyschologischen Modelle und Liebeskonzeptionen seiner Zeit entwirft, wird die leidenschaftliche Liebe hier als Verrücktheit diskreditiert. In María de Zayas' Novelas amorosas y ejemplares (Exemplarische und Liebesnovellen; 1637) schließlich verkommt die Rede von der leidenschaftlichen Liebe und Liebeskrankheit zu einer Rhetorik des Affekts, die die Vermengung von Liebe und Sex kaschiert und die "hohe Liebe" als Wahn und Trug entlarvt.

 

Vortrag

Liebeswahn. Das Thema in Kunst und Kunstwissenschaft, Romana Filzmoser (Florenz)

Romana Filzmoser

Mittwoch, 20. März, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Der Vortrag diskutiert die Auseinandersetzung der bildenden Künste mit Liebeswahn und seinen verschiedenen Konzeptionen zwischen Leidenschaft und Krankheit -­ passioamor hereos und melancholie erotique -­ entlang von Fallbeispielen vom Mittelalter bis zur Moderne. Ausgehend von der Emblematik stehen ikongraphische Fragen der Darstellung von Liebeswahn als Folge unglücklicher oder unerfüllter Liebe im Fokus. Dazu zählen Themen der Genremalerei wie die Arztvisite und das ungleiche Paar, sowie Visualisierungen literarischer Figuren wie Dido oder Medea. Das Beispiel der Statuenliebe lässt schließlich das Konzept des Liebeswahns im Sinne abweichender sexueller Vorlieben rezeptionsästhetisch befragen und stellt die Frage nach dem Status der Bilder, wenn erotisches Verlangen durch ihren Anblick ausgelöst werden kann.

Der verliebte, verrückte Paladin, Ulrich Wyss (Frankfurt)

Ulrich Wyss

Mittwoch, 10. April, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Roland, der Neffe Karls des Großen, ist der stärkste Krieger im altfranzösischen Heldenepos. In der italienischen Renaissance bleibt er ein Kriegsheld ohnegleichen, aber jetzt treibt ihn vor allem eine erotische Passion, die ihm Sinn und Verstand raubt. Die Dichter Matteo Boiardo mit seinem 'Orlando innamorato' (1495) und Ludovico Ariosto mit dessen Fortsetzung 'Orlando furioso' (1532) machen daraus ein großes poetisches Spektakel. Dabei wird das hochmittelalterliche Thema der höfischen Liebe neu interpretiert.

Geküsste Bilder - umarmte Portraits. Liebeswahn und Künstlersinn, Manfred Kern (Salzburg)

Manfred Kern

Mittwoch, 17. April, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Die Sirenen wecken mit ihrem Gesang in den Seefahrern den unbedingten, tolldreisten Wunsch, auf ihre Insel zu gelangen - mit der Aussicht, dass sie dort den Tod finden. Narziss sieht in der Quelle „sein eigen Bild", seine eigene Projektion, die verschwindet, sobald er sie mit Armen greifen möchte - erotisch und ästhetisch an sein Bild gefesselt, schmilzt sein Leib dahin. Pygmalion schließlich bildet eine Statue, zu der er gegen alles Wissen um ihre bloße Gemachtheit in unbedingter Liebe entbrennt - zu seinem Glück erweckt Venus das Kunstwerk zum Leben. In diesen Mythen und ihren vielfachen Transformationen verbinden sich Liebeswahn und Künstlersinn, erotische und ästhetische Illusion. Der Vortrag fragt danach, inwiefern diese Verschränkung den Blick auf auch historisch spezifische Programme ästhetischer Unbedingtheit, auf Programme, in denen Erotik und Ästhetik konvergieren und kollidieren, freigeben könnte.

 

Vortrag

Die absolute Liebe der Surrealisten: André Bretons Essay L’amour fou, Peter Kuon (Salzburg)

Peter Kuon

Mittwoch, 24. April, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Der Vortrag handelt von boys und girls, von Aschenputtels Aschenbecher und Undines Unterwassertanz, von einem Löffel, der ein Penis ist, und einem Eichhörnchen, das eine grüne Haselnuss in den Pfoten hält. En passant wird der Pico del Teide bestiegen, das Goldene Zeitalter wiedergefunden, ein Sternenschloss gesehen und der unheilvolle Einfluss eines Gespensterhauses abgewehrt. Zu guter Letzt geht es um die Liebe, eine Liebe, die so absolut und so verrückt ist, dass sie den Revolutionär zum Babysitter macht.

 

Vortrag

To top

Liebe wider das fatum: Dido und Äneas in Vergils Äneis, Margot Geelhaar (Salzburg)

Margot Geelhaar

Mittwoch, 08. Mai, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Im ausgehenden ersten vorchristlichen Jahrhundert schuf Vergil mit der Äneis ein Werk, das nicht nur von seinen Zeitgenossen als neues Nationalepos der Römer gefeiert wurde, sondern auch maßgeblichen Einfluss auf alle späteren Epiker nehmen sollte. Eine zentrale Gestalt der ersten Äneishälfte ist die karthagische Königin Dido. Ihre tragische Liebe zum Haupthelden Äneas, die sie letztendlich in den Selbstmord treibt, schildert Vergil im vierten Buch seines Epos. Die fatale Liebesbeziehung, insbesondere die Gründe für ihr spektakuläres Scheitern, sollen Gegenstand des Vortrags sein.

 

Vortrag

To top

Wahnsinn und Methode. Komplikationen der Liebe in Leopold von Sacher-Masochs Venus im Pelz, Werner Michler (Salzburg)

Werner Michler

Mittwoch, 15. Mai, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

In Leopold v. Sacher-Masochs spektakulärer Novelle Venus im Pelz (1869) überkreuzen sich Passion, Wahn und Vernunft gleich in mehrfacher Weise. In der Medizin, im Fach der Psychopathia sexualis, hat der Text seinem Autor den zweifelhaften Ruhm des Namenspatrons einer ‚Perversion' eingetragen, des ‚Masochismus'. Wissenschaft und evolutionistische Aufklärung sind aber auch der Kontext, in den Sacher-Masoch seinen Novellenzyklus „Liebe" - als Teil eines noch größer gedachten Projekts Das Vermächtnis Kains - gestellt hatte: Mit literarischen Mitteln sollten die Probleme der modernen Zivilisation diskutiert und schließlich gelöst werden, darunter die Beziehungen der Geschlechter zueinander. Schließlich treffen in Venus im Pelz die strengste Formalisierung im Sozialen - im berühmten Unterwerfungsvertrag, der aus dem Aristokraten Severin den Diener Gregor macht und aus der Geliebten die Herrin - und die planvoll herbeigeführte Entfesselung letztlich unbeherrschbarer Naturkräfte aufeinander; amour fou gewissermaßen, mit zweifelhaftem Ausgang.

 

Vortrag

Verrückte Liebe oder verrückter Sex. Pathologien des Eros bei Cervantes und Lezama Lima, Christopher F. Laferl (Salzburg)

Christopher F. Laferl

Mittwoch, 22. Mai, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)


In seinem umfangreichen erzählerischen Werk thematistiert Miguel de Cervantes (1547-1616) mehrfach erotisches Begehren, das vielfach als deviant oder zumindest als außergewöhnlich angesehen wird. Das gleiche gilt für den kubanischen Autor José Lezama Lima (1910-1976), der seine Leserschaft ebenfalls mit ungewöhnlichen Formen des Liebens überrascht und konfrontiert. Im Zentrum des Vortrags werden die für das Thema der Ringvorlesung besonders reichen Hauptwerke der beiden genannten spanischsprachigen Autoren stehen, nämlich der Quijote und Paradiso. Analysiert werden sollen dabei v. a. die narrativen Darstellungsformen und die Sichtweise der Erzähler; es soll also gefragt werden, wie das Liebes- und Sexualverhalten der von amour fou bzw. sexualité folle "befallenen" Romanfiguren beschrieben und kommentiert wird. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Fragen nach der Charakterisierung des Begehrens (emotional vs. körperlich) und nach der Pathologisierung dieses Verhaltens gelegt werden. Der Vergleich eines umfangreichen Erzähltexts aus der Frühen Neuzeit mit einem Roman aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts soll schließlich helfen, die narrative Modellierung von exzeptioneller Erotik vor und nach der vielfach proklamierten großen Wende im Umgang mit Sexualität im 19. Jahrhundert besser in den Griff zu bekommen.

 

Vortrag

Hackebeilchen und Eispickel: Kannibalische Amour furieux, Ralph Poole (Salzburg)

Ralph Poole

Mittwoch, 29. Mai, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)


Serienkiller und Lusttäter: es fällt schwer, solchen Menschen beizukommen. Sind sie krank, psychopathisch, gar bemitleidenswert? Oder nur monströs? Fritz Haarmann und Jeffrey Dahmer zählen zu den berüchtigtsten kannibalischen Serienmördern des 20. Jahrhunderts. Gemeinsam ist ihnen, dass ihre zerstörerisch-kannibalische Leidenschaft durch ein nekrophiles sexuelles Liebesbegehren ausgelöst und in gefräßigem Blutrausch sowie im süchtigen Errichten von Archiven der Lüste ausagiert wird. Die Morde der beiden übten eine erstaunliche Faszination auf Zeitgenossen aus, dienten so gar als Ventil für Sensationslüsternheit. Was aber verschafft einem Serienkiller den besonderen Ehrenplatz im kulturellen Kabinett der Gruseleien? Und wer beteiligt sich am eifrigen Sammeln der Daten, um sich ein Bild zu machen und um uns eine Geschichte zu erzählen? Fragen nach der Justizierbarkeit und dem Merchandizing Network, aber auch das anhaltende mediale Interesse an diesen beiden extremen ‚Fällen' von amour fou sollen in dem Vortrag von Interesse sein.

 

Vortrag

Edgeplay. Ein filmtheoretisches Modell des Amour fou-Films zwischen Medialität und Amedialität, Oliver Jahraus (München)

Oliver Jahraus

Mittwoch, 05. Juni, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

In meinem Vortrag versuche ich der Frage nachzugehen, warum wir uns als Literatur-, Medien- oder Kulturwissenschaftler überhaupt mit dem Phänomen einer Amour fou beschäftigen sollten, und teile diese Frage in drei Aspekte auf: Was können wir aus solchen Geschichten über das Phänomen lernen, was können wir über das Medium lernen, in dem solche Geschichten erzählt werden (und im Fokus meines Vortrags steht der Film), und schließlich, was können wir daraus über Gesellschaft als den Bedingungsrahmen solcher Geschichten lernen? Mein Versuch einer Antwort stützt sich dabei auf einen ganz bestimmten Moment, den ich edgeplay nennen möchte. Edgeplay meint zunächst eine sexuelle Perversion, die Sex mit Lebensgefahr, z.B. mit der Strangulation, verbindet, wie es in einem der herausragenden Amour-fou-Filme Im Reich der Sinne vorgeführt wird. Ich würde edgeplay hingegen als jene Verhaltensweise definieren, in der sich die Amour fou gegen alle gesellschaftlichen Regeln, Normierungen und Konventionen plötzlich Bahn bricht, diese aufhebt, aber noch nicht völlig zum Verschwinden gebracht hat. Dabei würde ich die These verfolgen und als methodisches Prinzip vorschlagen, auf jenen Moments des Übertritt in die  amour fou zu achten, in dem die Partner, eben noch integriert in ihre soziale Choreographie und Funktionsweise, schon aus dieser herausgefallen und für sie verloren sind. Diese Kante zwischen noch-nicht und nicht-mehr ist ein eigentümlicher Bereich, definiert und undefinierbar zugleich, eine heterotopische Pforte, ein Moment absoluter Unvermittelbarkeit und unbedingter Inkommensurabilität und doch zugleich ein Effekt von medialer Induktion, von Inszenierung und Darstellung. Es ist ein Moment, an dem sich Medialität und Amedialität treffen, was man exemplarisch an Filmen nachverfolgen kann, weil das visuelle Medium des Films das prekäre Spannungsverhältnis eines bildlosen Bildes so umsetzen kann und muss, dass sich daraus bemerkenswerte Implikationen für die gestellten Fragen und im Ansatz ein filmtheoretisches Modell ableiten lassen.

 

Vortrag

Zwischen Wahnsinn und Leidenschaft: der fol amor in der mittelalterlichen Literatur, Danièle James-Raoul (Bordeaux)

Danièle James-Raoul

Mittwoch, 19. Juni, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Im Laufe des 12. Jahrhunderts tauchen zwei konkurrierende erotische Modelle auf, zum einen, verkörpert durch das Paar Lancelot und Guenièvre, die fin'amor, was üblicherweise, im Anschluss an Gaston Paris, mit höfische Liebe übersetzt wird, weil sie unmittelbar aus dem Leben am Hof und einer neuen Form von Soziabilität hervorgegangen ist, zum anderen, die fol'amor, die mit der Gesellschaft bricht und deren Bezugsraum nicht mehr der Hof, sondern der Wald ist. Diese affektive Ausprägung, die Tristan und Iseut zum emblematischen Paar hat, überschneidet sich mit dem, was Stendhal amour-passion nennt und was die Surrealisten mit amour fou bezeichnen. Die Grenze zwischen den beiden erotischen Modellen ist aber nicht so absolut, wie man denken könnte, denn der entstehende höfische Roman weist Fälle von vollkommenen Liebenden auf, die den Verstand verlieren, und von leidenschaftlich Verliebten, die die Verhaltensmuster der fin'amor übernehmen. Vom wirklichen Wahnsinn über die Selbst- und Weltvergessenheit bis hin zur Leidenschaft stellt sich die fol'amor wie die Verdammnis oder die Erlösung des Menschen dar, wie eine Ohnmacht, die er erleidet, oder das Zeichen einer Gewalt, in die er einwilligt.

 

Vortrag

Die „letzte Liebesgeschichte“ und ihr Scheitern. Zur Funktion der Geschwisterliebe in Musils "Mann ohne Eigenschaften", Norbert Christian Wolf (Salzburg)

Norbert Christian Wolf

Mittwoch, 26. Juni, 18.30-20.00h, Unipark Nonntal, Erzabt-Klotz-Str. 1 (E.003, G. Eisler Saal)

 

Die im zweiten Teil des monumentalen Epochenromans Der Mann ohne Eigenschaften erzählte „letzte Liebesgeschichte" des Protagonisten Ulrich und seiner Schwester Agathe kann in mehrerlei Hinsicht als Vollendung des ‚amour fou' gelesen werden. Indem die Geschwisterliebe offen gegen das in den einzelnen Kulturen zwar unterschiedlich definierte, aber universell geltende Inzestverbot verstößt, stellt sie das fundamentalste soziale Tabu in Frage, sozusagen das herrschende Grundgesetz der Gesellschaft überhaupt. Musil nimmt mit seinen wechselnden Anläufen zu einer adäquaten narrativen Gestaltung der inzestuösen Vereinigung verschiedene Motivstränge der literarischen Liebesgestaltung auf und unterzieht sie erzählerisch wie essayistisch einer theoretisch ambitionierten Reflexion. Damit reiht er sich ein in die zahlreichen künstlerischen Bemühungen um die Aufhebung des um und nach 1900 sozial sowie diskursiv festgefahrenen Geschlechtergegensatzes durch die ‚Vision des Androgynen', ohne aber dessen ambivalenzfreie erzählerische Apotheose zu betreiben.  Da die utopischen Versuche einer erfüllten Zweisamkeit im ‚anderen Zustand' angesichts einer in den Weltkrieg schlitternden Gesellschaft zum Scheitern verurteilt bleiben, muss Musils eindringliche und insistierende Frage nach der Möglichkeit erfüllter Liebe in der Moderne negativ beantwortet werden.

 

Vortrag