Julieta Jacobi absolvierte ein Masterstudium der Motologie mit Schwerpunkt Körperpsychotherapie an der Philipps Universität Marburg sowie ein Bachelorstudium der Theaterpädagogik mit Schwerpunkt Tanz an der Hochschule für Künste im Sozialen. Sie arbeitete im Arbeitsbereich „Psychologie der Bewegung“ an der Philipps Universität Marburg (UMR), als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Inklusion und Kunst (HKS Ottersberg) sowie als studentische Hilfskraft in der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik (UMR). Zudem lehrt sie an der UMR, der HfMDK Frankfurt am Main sowie der HKS Ottersberg im Bereich der Kulturellen Bildung.
Julieta Jacobis Forschungsinteresse liegt am Nexus der Disability und Gender Studies mit einem Fokus auf Okularzentrismus(-kritiken) und sensorischen Stadtraumaneignungen. Besonders zentral für ihr Dissertationsprojekt im interuniversitären Doktoratskolleg „Kulturen im Wandel“ sind die Performance Studies, die künstlerische Forschung, relationale Raumtheorien, die Soma und Sense Studies und die feministische Embodiment-Forschung.
Dissertationsvorhaben:
Multisensorische Stadtraumaneignungen.
Performance-theoretische Annäherungen an eine Okularzentrismuskritik
„Ich habe es eilig und es ist dunkel, gut, dass Google Maps mir den kürzesten Weg anzeigt: fünfhundert Meter gerade aus, dann nach rechts abbiegen.“
Die hier zur Sprache kommende westliche Zentralisierung des Sehens wird Okularzentrismus genannt. Er bildet den Rahmen, in dem die Aufmerksamkeit in Kommunikations- und Orientierungspraktiken visuell ausgerichtet wird. Der Okularzentrismus findet sich ebenso in der Sprache und Schrift wieder; denn er ist das Hauptreferenzsystem für sogenannte Objektivität von Raum in der westlichen Epistemologie. Von dessen Norm aus werden entsprechende oder abweichende Subjektpositionen wie Sehende und Blinde erst hervorgebracht.
Als Aspekt dieser visuellen Naturalisierung ist es für Sehende wie mich eine Selbstverständlichkeit, von den Codes und Anweisungen, wie die der eingangs erläuterten Wegbeschreibung, adressiert werden zu können. Dass meine Augen meine körperlichen Handlungen, wie das Abmessen der Distanz, die schnellen, unbedachten Schritte oder das Kopfdrehen beim Orientieren leiten, ist für mich gewöhnlich. So ist es auch mein blind Spot, dass der Standpunkt, von dem aus und für den die Google Maps Karte gezeichnet wurde, ein Sehender ist.
Die Perspektive dieser Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie diese Perspektive infrage stellt und darüber hinaus einer Vielheit der Sinne nachspüren möchte.
Dabei wird, als ein zentrales Thema der Arbeit, der Ausschluss anderer Sensorien als mögliche Schnittstelle zwischen dem Patriarchat und dem modernen, autonom fähigen Subjekt befragt.
Wie könnte sich diese Schnittstelle genealogisch begründen? Wie wird sie in Stadtorientierungen erfahrbar? Welche „anders sinnlichen“ Wahrnehmungen bleiben an den Rand gedrängt? Welche Körperspürweisen werden (nicht) produziert? Und (wie) kann für wen das, was zählt und was nicht, erweitert und eine „neue Weise des Fühlens“ (Rancière) erkundet werden?
Diesen Fragen möchte ich durch das Expert*innenwissen von visuell sehenden und als blind und sehbeeinträchtigt markierten Akteur*innen nachgehen. Gemeinsam soll ein performatives Mikro-Stadt-Labor anders sensorischer Stadtraumaneignung als Methode zur Exploration entwickelt werden. Da in dem Forschungsfeld die Grenzen des sprachlich Fassbaren berührt werden, wird zusätzlich zu einer kollaborativ-autoethnographischen Recherche künstlerisch-performativ gearbeitet.
Einzuordnen ist das Projekt in die Performance-Studies, die Disability- und Genderstudies, die Soma- und Sense-Studies sowie die Motologie mit Querverweisen zu kulturwissenschaftlicher Forschung.