Lisa Hinterreithner ist Performance Künstlerin, Researcherin und Dozentin. In ihren Performances verschränkt sie Körper und Materialien. Dabei sucht sie nach künstlerischen Formaten, die Fragen zu Repräsentation und Teilhabe thematisieren. Aktuell beschäftigt sie sich mit Berührung und Berührbarkeit, insbesondere zwischen Menschen und Mehr als Menschlichem. Im universitären Kontext arbeitet sie mit Studierenden im Bereich der performativen Künste. Ihre Arbeiten werden national und international gezeigt.
Titel des Dissertationsvorhabens:
entangled beings
Performance als Brennglas: Die öko-politische und affektive Wirkmacht von menschlicher und mehr-als-menschlicher Korporalität
Erstbetreuerin: Univ.-Prof. Dr. Nicole Haitzinger
Zweitbetreuer: Mag. DDr. Thomas Ballhausen
Abstract
entangled beings ist ein posthumanistisches, transdisziplinäres künstlerisches Forschungsprojekt, das sich mit der öko-politischen und affektiven Wirkmacht menschlicher und mehr-als-menschlicher Korporalität auseinandersetzt. Im Zentrum stehen performative und installative Experimente, in denen Pflanzen, Erde und Menschen in unterschiedlichen Konstellationen miteinander in Beziehung treten. Durch die Erweiterung des Betrachtungshorizonts auf mehr-als-menschliche Wesen und die Entwicklung künstlerischer Formen des Entanglements wird ein Versuch unternommen, hegemoniale Selbstverständnisse des Menschseins porös(er) zu machen und anthropozentrischen Perspektiven etwas entgegenzustellen. Dabei versteht sich das Projekt als Beitrag zur kritischen Ökologie und basiert auf feministischen, queeren und dekolonialen Theorien.
In mehreren performativen Settings wird mit unterschiedlichen Formen der Involvierung von Pflanzen, Erde und Menschen experimentiert: von einer Performance-Installation ausschließlich für mehr-als-menschliche Wesen über partizipative Szenarien mit menschlichem Publikum bis hin zu queeren, intimen Begegnungen zwischen nackten menschlichen Körpern, Pflanzen und Erde. Dabei wird das Berühren als eine politische, ästhetische und affektive Praxis untersucht, die neue körperlich-sinnliche Räume des Denkens und Fühlens eröffnet. Somatische Körpertechniken, wie sie u.a. von Lygia Clark entwickelt wurden, bilden einen wesentlichen Bestandteil der künstlerischen Praxis.
Zentrale theoretische Bezugspunkte bilden Konzepte wie Transkorporalität (Stacy Alaimo), affektive Ökologien (Hustak/Myers), queere Ökologien (Myers) und koloniale Verflechtungen von Pflanzen (Povinelli, Gray/Sheik). Diese Diskurse werden mit den praktischen Forschungserfahrungen verbunden und kritisch reflektiert. Dabei wird die Ambivalenz des Entanglement-Begriffs thematisiert, der – je nach Kontext – auch zerstörerische, koloniale oder toxische Dimensionen beinhalten kann.
Methodisch basiert das Projekt auf einer responsiven Artistic-Research-Haltung, die von Ko-Existenz, wechselseitiger Abhängigkeit und einem forschenden Dazwischen geprägt ist. Forschungslabore, performative Experimente und diskursive Auseinandersetzungen greifen ineinander. Die Abschlussarbeit setzt sich aus einer performativ-künstlerischen sowie einer schriftlich-theoretischen Arbeit zusammen. Die schriftliche Arbeit dokumentiert und analysiert die künstlerischen Prozesse und kontextualisiert diese in aktuelle Diskurse zu Transkorporalität, affektiven und queeren Ökologien. Es wird untersucht, inwiefern Kunstorte als Räume einer Brennglasfunktion für Natur-Mensch-Beziehungen fungieren und ob sich darin neue Formen öko-politischer Wirkmacht entfalten lassen.
entangled beings versteht sich somit als prozesshafte Forschung über Körper, Berührung, Verletzlichkeit und Intimität in einem artenübergreifenden Zusammenspiel, das künstlerisch, theoretisch und politisch nach neuen Formen des Zusammenlebens fragt.