TOLEDO-Vision: KUNST, KULTURALITÄT UND TOLERANZ ALS EINHEIT
Symposion mit Forschungsseminar in Zusammenarbeit mit dem Teatro Real Madrid (Plaza de Oriente, s/n, 28013 Madrid)
Die Einheit von Kunst, Kulturalität und Toleranz ergibt sich bereits aus der Beschreibung der Kunst als anthropologisches Medium, das unmittelbare Realitätsbezüge schafft, die nicht bloß im Virtuellen aufgehen. Kunsterlebnisse sind Rekonstruktionen, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfallen. Dabei liegen gemeinsame Bedeutungen im Schnittbereich der vielen individuellen Deutungen und weisen zusätzlich einen eigenen, unvergleichlichen Gehalt auf. Gerade die Deutungsoffenheit ist eine Herausforderung für kulturelle Relationen und Akzeptanzstrategien. Dies ist bereits seit der Antike ein fixer Bestandteil der „Politik" als res publica. Gleichzeitig verlangt die Deutungsoffenkeit der Kunst von uns die Fähigkeit zur wirklichen Individualität und nicht bloß zu gespielten Selbstinszenierungen. So entsteht eine dynamische Kontinuität im Umgang mit dem kulturellen Erbe. Denn was sich heute ereignet und als Erlebnis rezipiert wird, bildet jeweils das kulturelle Erbe von morgen!
Die gegenwärtige Entwicklung Europas mit ihren Krisen, Migrations- und Urbanisierungsprozessen richtet eine ganze Reihe unerwarteter Fragen an unser Selbstverständnis. Die durch Kulturalität und Toleranz geprägte Erfahrung wandelt unser Selbstbewusstsein und schärft die Wahrnehmung der kulturellen Bedingtheiten eigener und anderer Positionen. So entwickelt sich ein Verständnis dafür, dass die Verbindlichkeit unserer Sprach- und Lebenskonzepte kulturell begrenzt sind, und ermöglicht einen geschärften Blick für den Zusammenhang von Kunst, Gesellschaft, Politik und Kultur.
Ein inspirierender Faktor für die Veranstaltung wird der Besuch der Aufführung von Monteverdis „Poppea e Nerone" (in der Bearbeitung von Philippe Boesmans) im Teato Real am 21. Juni 2012 sein: Monteverdi ironisierte mit der „Krönung der Poppea" (1642) die Ehe und erhob eine freiere Sexualität mit ihren lustvollen Zärtlichkeiten zum Fest schlechthin. Seine Nachfolger verstärkten die virtuelle Herrschaft der Leidenschaft: galante und mythologische Sphären, die von einer anderen und individuellen Freiheit berichten. Mit Mozart erreichte die Musik eine erotische Abstraktion und Wirksamkeit, die ihre gesellschaftliche Rolle bis heute bewahren wird, nämlich die Emanzipation von Geschlecht und Gefühl.
Dienstag, 19. Juni 2012, 20.00 Uhr:
Impulsabend im Teatro Real: Poppea e Nerone (Claudio Monteverdi, 1567-1643 / Bearbeitung Philippe Boesmans, 1936)
Dirigent: Sylvain Cambreling
Regie: Krzysztof Warlikowski
Mittwoch, 20. Juni 2012: 10.00-15.00 Uhr
10.00-10.45 Uhr: Julija Krištof / Elena Liesenfeld / Charlotte Maria Raucamp (Kulturwissenschaften, Universität Klagenfurt): Anmerkungen zu „Poppea e Nerone"
10.45-11.15 Uhr: Michael Fischer (Sozial- und Kulturwissenschafter, Salzburg):
Europäische Selbstaufklärung und die Entdeckung der Gefühle
11.15-12.30 Uhr: Gerard Mortier (Intendant Teatro Real Madrid):
Die Bedeutung der Kunst für eine neue Vision Europas
12.30-13.30 Uhr: PAUSE
13.30-14.15 Uhr: Maurici Farré (Theatermacher und Übersetzer, Barcelona/Madrid):
Kunst als Condidio humana
14.15-15.00 Uhr: Markus Hengstschläger (Genetiker, Wien):
Was sagt die Genetik über die Künste?
Donnerstag, 21. Juni 2012: 10.00-15.00 Uhr
10.00-10.45 Uhr: Francisco Ferrero Campos (Sprachwissenschafter, Madrid):
Die Wirkungsgeschichte der spanischen Literatur des 17. Jahrhundert
10.45-11.15 Uhr: Andreas Cesana (Philosoph, Mainz):
Europa im Spannungsfeld der Kulturen
11.15-12.30 Uhr: Hiroyuki Numata (Philosoph, Sendai/Tokyo):
Ein Blick auf Europa
12.30-13.30 Uhr: PAUSE
13.30-14.15 Uhr: Kurt Seelmann (Rechtsphilosoph, Basel):
Kulturalität und Toleranz
14.15-15.00 Uhr: Round-Table
Programmeinladung