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Interdisziplinäre Ringvorlesung: Das Wiener Volkstheater. Aspekte - Themen - Traditionen
WS 2012/13

Mittwoch, 17.00-19.00 Uhr, Unipark Nonntal

Konzeption: Ulrike Tanzer (FB Germanistik) u. Susanne Winter (FB Romanistik)

 

Anmeldung (PLUS online)

 

Programm zum Download

23. Jan. 2013:
Ulrike Tanzer,
"Die Bühne als Kanzel. Zu Ludwig Anzengrubers Volkstheaterkonzept"

Die letzte Vorlesung im Rahmen der interdisziplinären Ringvorlesung zum Wiener Volkstheater ist dem Schriftsteller und Dramatiker Ludwig Anzengruber (1839-1889) und seinem Volkstheaterkonzept gewidmet. Anzengruber, der sich als Volksaufklärer verstand, versuchte auf der Bühne die brennenden sozialen und politischen Probleme seiner Zeit darzustellen. Am Beispiel der kirchenkritischen Stücke „Der Pfarrer von Kirchfeld" (1870), „Die Kreuzelschreiber" (1872) und „Das vierte Gebot" (1877) soll gezeigt werden, wie Anzengruber die Tradition des Volksstücks weiterführte, erneuerte und zugleich problematisierte.

 

Ulrike Tanzer

Mag. Dr. phil., Studium der Germanistik und Anglistik/Amerikanistik in Wien und Salzburg. Seit 1996 im Bereich „Neuere deutsche Literatur" am FB Germanistik der Universität Salzburg tätig, seit 2008 Ao. Univ.-Prof. für Neuere Deutsche Literatur. Gastdozenturen und -professuren in Bologna, Bratislava, Debrecen, Genf, Leiden und Klagenfurt. Forschungsschwerpunkte: Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts (bes. F. Grillparzer, J. Nestroy, M. v. Ebner-Eschenbach, H. v. Hofmannsthal), Gegenwartsliteratur, Glückskonzeptionen in der Literatur, Briefedition, Literaturdidaktik; 2001-2012 (bis 2009 gem. mit W. Edgar Yates, ab 2010 gem. mit Marion Linhardt) Schriftleitung der „Nestroyana. Blätter der Internationalen Nestroy-Gesellschaft". Leitung des FWF-Projekts: Briefedition Marie von Ebner-Eschenbach - Josephine von Knorr (P 21654-G20).

FB Germanistik der Universität Salzburg, Erzabt-Klotz-Str. 1, A-5020 Salzburg -

E-Mail: ulrike.tanzer(at)sbg.ac.at

 

16. Jan. 2013:
Marion Linhardt,
"Bildwechsel. Zur Ausstattungspraxis an den Wiener Vorstadttheatern des 19. Jahrhunderts"

Überblickt man Johann Nestroys dramatische Produktion, so fällt auf, dass sich unter seinen frühen Stücken noch eine ganze Reihe findet, deren szenische Umsetzung des barocken Bühnenapparats mit Flugmaschinen, einer technisch relativ anspruchsvollen Unterbühne und Optionen für zauberhafte Verwandlungen bedarf, während er wenig später eine „realistische" Ästhetik zu verfolgen beginnt, die alltägliche Räume auf der Grundlage wesentlich unaufwendigerer Ausstattungsformen zeigt. Wenn wir uns in der Vorlesung unter dem Schlagwort „Bildwechsel" mit der szenischen Komponente des Wiener Vorstadttheaters im 19. Jahrhundert und insbesondere des Theaters Nestroys befassen, dann ist ein doppelter Sachverhalt angesprochen: es geht erstens um konkrete bühnenpraktisch-technische Bedingungen, mit denen Bildwechsel (d.h. die Folge wechselnder Schauplätze) und szenische Effekte in diesem Theater realisiert werden, zweitens um die am Beispiel Nestroys bereits angedeutete Verschiebung hinsichtlich der im Theater gezeigten „Bilder" oder Szenerien, d.h. um die Ablösung idealer, phantastischer oder historisierender durch alltägliche, gegenwärtige Räume. Praktisch-ästhetische Kategorien, die uns in diesem Zusammenhang interessieren werden, sind der Fundus und das Raumrepertoire.

 

Marion Linhardt unterrichtet als Privatdozentin Theater- und Medienwissenschaft an der Universität Bayreuth. Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, der Theaterwissenschaft und der Religionswissenschaft, Habilitation mit einer Arbeit zur kulturellen Topographie Wiens im 19. und frühen 20. Jahrhundert, langjährige Mitarbeiterin des Forschungsinstituts für Musiktheater der Universität Bayreuth. 1999-2008 Fachbeirätin der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2004-2008 Mitglied des interdisziplinären DFG-Netzwerks „Räume der Stadt. Perspektiven einer kunstgeschichtlichen Raumforschung", derzeit wissenschaftliche Koordinatorin eines internationalen Forschungsprojekts zum Musiktheater in Deutschland 1900 bis 1950. Seit 2010 Schriftleiterin der Nestroyana. Forschungsschwerpunkte: theaterwissenschaftliche Stadtforschung, Unterhaltungskulturen des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Konzepte für eine integrale Theatergeschichtsschreibung.

9. Jan. 2013:
Sabine Coelsch-Foisner,
"Shakespeare und das Wiener Volkstheater am Beispiel von Raimunds Zaubermärchen"

 

Am 9. Jänner 2013 beleuchtet Sabine Coelsch-Foisner, Fachbereich Anglistik und Amerikanistik, die Zusammenhänge zwischen Shakespeare und dem Wiener Volkstheater im Hinblick auf den kulturgeschichtlichen, institutionellen Rahmen, die Aufführungspraxis und die kreative Rezeption. Im Mittelpunkt steht Shakespeares Sommernachtstraum, der - selbst das Ergebnis vielfältiger Interventionen des literarischen Erbes Europas - Auslöser unzähliger Interventionen im deutschsprachigen Theater wurde und als Schlüsselstück zum Verständnis des elisabethanischen ‚Volkstheaters' und dessen Zusammenhängen mit dem Wiener Volkstheater gelesen werden kann. Unter besonderer Berücksichtigung von Ferdinand Raimunds Zauberstücken werden Aspekte wie Gattungshybridisierung, Verwandlungsspiel, Figurenvielfalt, ‚multi-consciousness' sowie die Verschränkung von Sprech- und Musiktheater erörtert.

 

Unipark, HS E.004, 17-19 Uhr.

 

Sabine Coelsch-Foisner ist seit 2005 ordentliche Professorin für Englische Literaturwissenschaft und Kulturtheorie an der Universität Salzburg; 2001 erhielt sie für ihre Habilitation den Kardinal-Innitzer-Preis, 2004 den Kulturpreis des Landes Oberösterreich. 2004-2010 war sie Leiterin des Interdisziplinären Forschungszentrums Metamorphischer Wandel in den Künsten / IRCM, und seit 2010 leitet sie den interdisziplinären Programmbereich Arts & Aesthetics. 2006-2010 war sie Mitglied des Senats der Universität Salzburg, seit 2007 leitet sie den Fachbereich Anglistik und Amerikanistik und ist seit 2010 Vizepräsidentin der Internationalen Gesellschaft für Fantastikforschung sowie Herausgeberin von mehreren internationalen Reihen, darunter Wissenschaft und Kunst und hat mehrere nationale und internationale Drittmittelprojekte.

19. Dez. 2012:
Susanne Winter,
"Raimund und die italienische Komödientradition"

Es ist erstaunlich, welche Bezüge und Parallelen sowohl zwischen der Theaterlandschaft Wiens und Venedigs im 18. Jahrhundert als auch zwischen Ferdinand Raimund (1790-1836) und Carlo Gozzi (1720-1806) bestehen. Gozzi selbst verweist in einem Text von 1772 zur Situation des venezianischen Theaters auf die Herren Heufeld und Sonnenfels und die Wiener Verhältnisse, Raimund wiederum bezeichnet seine Theaterstücke als Original-Zaubermärchen, analog zu Gozzis Fiabe teatrali, und beide legen damit den Akzent auf das Märchenhafte. Im Rahmen der Vorlesung werden in kontrastiver Perspektive die Struktur des Theaterbetriebs in Venedig und Wien, die Komplementarität des sogenannten Volkstheaters und des „gelehrten“ Theaters sowie strukturelle und inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen Gozzis und Raimunds Theater vorgestellt.

 

Susanne Winter lehrt französische und italienische Literaturwissenschaft am Fachbereich Romanistik der Universität Salzburg. Sie hat in Tübingen und Lyon Germanistik, Romanistik und Musikwissenschaft studiert, war ein Jahr Deutsch-Lektorin an Bryn Mawr College (USA) und arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für italienische Philologie der LMU München. Von 2000-2005 war sie Direktorin des Deutschen Studienzentrums in Venedig.

Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen des Theaters und der Poetik und Ästhetik zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

12. Dez. 2012:
Gudrun Bachleitner-Held,
"Wenn die Red' ein Feiertagsgwandl anzieht... Zur Inszenierung von sprachlicher Höflichkeit in Johann N. Nestroys Komödienwelt"

Die Komödien Johann Nepomuk Nestroys sind als Meisterwerke beißender Kritik an der Gesellschaft im monarchistischen Wien des 19. Jahrhunderts in die österreichische Theatergeschichte eingegangen. Nestroys Markenzeichen ist die geniale Sprachkomik, mit der er auf der Basis des Wienerischen seiner Zeit ein immer wieder spezifisches Szenario von Figurenkonstellationen schafft und so mit dramaturgischem Geschick ein differenziertes Gesellschaftsporträt an der Schwelle von hierarchisch-ständischen zu den ökonomisch geprägten, bürgerlichen Ordnungsstrukturen zeichnet. Dass dabei gerade die sprachliche Höflichkeit mit all ihren rituell einstudierten Ausdrucksformen, den längst überkommenen Formeln starrer Etikette und den stets auf persönlichen Nutzen und äußeren Schein angelegten, kalkulierten Verhaltensstrategien ein beliebtes Einsatzfeld sprachlichen Spiels darstellt, ist für Nestroys literarischen Auftrag fast selbstverständlich, von der dichten Nestroy-Forschung allerdings noch kaum beachtet worden.

Dies ist umso verwunderlicher, als Höflichkeit mit der pragmatischen Wende zu einem Lieblingsbereich der aktuellen Linguistik avanciert ist und ein eigenes theoretisches Paradigma herausgebildet hat, mit dem kommunikatives Handeln in den verschiedensten Kulturen, Sprachen und Situationen allgemein erfasst und erklärt werden kann. Es scheint daher höchst lohnenswert, diese linguistischen Erkenntnisse an die Nestroyschen Textbücher heranzutragen, ihre sprachlichen Spuren im jeweiligen Kontext auf dem spezifischen historischen Hintergrund aufzuspüren und dann gerade durch den Filter der gezielten Sprachartistik gleichsam metasprachlich neu zu durchdenken.

Nach einer kurzen Einführung in die linguistischen Höflichkeitstheorien und ihre Geltung im Kontext des Wiener Volkstheaters wird der Vortrag hauptsächlich eine Sammlung von Beispielen vorstellen, in denen Nestroys Sprachkomik die sinnleere Verwendung von Leerformeln und Phrasen, den zweckorientierten Wechsel von Stilen und  Registern sowie den hilflosen Bruch mit Rollen, Klassen und Funktionen unter dem gnadenlos entlarvt. Auch heute noch ist Unterhaltung garantiert!

 

Gudrun Held (offiziell Bachleitner-Held) ist Ao.Prof. für romanische Sprachwissenschaft - insbesondere Italienisch und Französisch - am Fachbereich Romanistik der Universität Salzburg.

Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der aktuellen linguistischen Pragmatik, in Text- und Varietäten-Linguistik, neuerdings in der jungen Disziplin der Medienlinguistik. Ihre Habilitationsschrift mit dem Titel "Verbale Höflichkeit. Studien zur linguistischen Theorienbildung und empirische Untersuchung zum Sprachverhalten frz. und it. Jugendlicher in Bitt-und Dankes-Situationen" 1993, 1995 publiziert) machte sie zu einer Spezialistin in einem modelltheoretischen Ansatz der angloamerikanischen Pragmatik, der zur Untersuchung jeder Art von sozialer Interaktion weltweit diskutiert, angewandt und revidiert wird, trotz der kulturgeschichtlichen Priorität der romanischen Sprachen in Sachen Höflichkeit in der Romanistik aber noch wenig umgesetzt ist. Daneben beschäftigt sich GH mit dem Medientext als multimodales Gebilde und der manipulativen Kraft, die die Sprache im Zusammenhang mit dem Bild daraus gewinnt.
Gastprofessuren und Lehrstuhlvertretungen hat sie wahrgenommen in Deutschland (Mannheim, FU Berlin, Göttingen), Österreich (Innsbruck, Graz), Italien (Roma, Milano) und in Frankreich (Dijon).

5. Dez. 2012:
W. Edgar Yates,
"'Fremde Gestaltungen': Nestroy und seine fremdsprachigen Vorlagen"

Die Ergӓnzung des Spielplans des von dem Direktor Carl Carl geleiteten Theaters an der Wien durch Bearbeitungen fremdsprachiger Vorlagen - mehrheitlich dramatischer Texte aus Paris, aber auch Romane und Erzӓhlungen - ist bezeichnend für die Internationalisierung des europӓischen Theaters um die Mitte des 19. Jahrhunderts, wofür der Stoff von Nestroys Eine Wohnung ist zu vermiethen (1837) ein Beispiel ist. Vier Faktoren lassen sich zusammen­fassend analysieren: 1. die Ursachen für den steigenden Bedarf an Vorlagen; 2. die Art und Weise, wie Nestroy zu den seinen kam; 3. seine schӧpferische Strategie bei der „Umgestaltung" der Vorlagen; 4. die kritische Debatte über die Entwicklung des Spielplans in einer Übergangszeit - „in dem Momente, wo man sich über die große Frage: Vaudeville oder Local-Posse streitet" (Österreichisches Morgenblatt, 1844).

Zu den Nestroy-Stücken, die als Beispiele für Nestroys Arbeitsweise dienen sollen, werden bekannte „klassische Possen" gehӧren: Der Talisman (1840), Das Mӓdl aus der Vorstadt (1841) und Der Zerrissene (1844), die auf franzӧsische Vaudevillekomӧdien zurückgehen (Das Mӓdl aus der Vorstadt auf ein Stück von Paul de Kock), sowie Einen Jux will er sich machen (1842: Vorlage: ein englischer Einakter von John  Oxenford).

 

W. Edgar Yates:

Studium der Germanistik und Romanistik, Universität Cambridge. Professor der Germanistik an der Universität Exeter (GB) seit 1972, Prorektor 1986-1989, emeritiert 2001. Viele Veröffentlichungen zum österreichischen Theater­, u. a. Monographien über Grillparzer, Nestroy, Schnitzler und Hofmannsthal sowie die Theatergeschichte Wiens. Mitherausgeber der historisch-kritischen Nestroy-Ausgabe, 1992-2010; Herausgeber bzw. Mitherausgeber von zehn Einzelbänden, 1981-2007. Schriftleiter der Zeitschrift Nestroyana 1992-2009 (2002-2009 mit Ulrike Tanzer). Vizepräsident der Internationalen Nestroy-Gesellschaft seit 1996.

J. G. Robertson Prize, Universität London, 1975. Mitglied der British Academy (London); Korrespondierendes Mitglied, Österreichische Akademie der Wissen­schaften (phil.-hist. Klasse); Träger des Osterreichischen  Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst.

 

28. Nov. 2012:
Christopher Laferl,
"Das spanische Drama des Siglo de Oro im Wien des 19. Jahrhunderts"

 

Wegen der dynastischen Verbindungen, die Österreich mit Spanien während der Frühen Neuzeit verbanden, war Wien bereits im Siglo de Oro ein Rezeptionszentrum der zeitgenössischen spanischen Literatur, was sich nicht nur im Ankauf spanischer Bücher für die Hofbibliothek niederschlug, sondern auch zur Aufführung spanischer Theaterstücke am Kaiserhof führte. In der allgemeinen Umorientierung nach Frankreich ließ das Interesse für Spanien im 18. Jahrhundert stark nach, es sollte aber im Zuge der Romantik neu belebt werden. Eines der Zentren dieser neuen Spanienbegeisterung war wiederum Wien. Allerdings lag diesmal der Fokus nicht auf der zeitgenössischen Literatur, sondern erneut auf den Werken des Goldenen Zeitalters. Im Rahmen der Vorlesung soll der allgemeine Rezeptionskontext dieses zweiten Spanieninteresses in Wien vorgestellt werden. In einem zweiten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern und wie intensiv die komischen Aspekte des Siglo de Oro-Dramas im Rahmen des Wiener Volksstücks rezipiert wurden und welche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Theatertraditionen herausgearbeitet werden können.

 

Christopher F. Laferl lehrt Iberoromanische Literatur- und Kulturwissenschaften an der Universität Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der spanischen und lateinamerikanischen Literatur der Frühen Neuzeit und der Literatur und Popularkultur Brasiliens und der Karibik im 20. Jahrhundert. Des Weiteren arbeitet er über das Verhältnis von Literatur und Ethnizität, über die Theorie der Biographie und Autobiographie und über spanisch-österreichisches Kulturbeziehungen in der Frühen Neuzeit.

 

21. Nov. 2012:
Hans Höller,
"Grillparzers klassische Kochkunst in Weh dem, der lügt. Wiener Volkstheater und Goethesche Kunstperiode"

Der Misserfolg von Weh dem, der lügt! im Jahr 1838 brachte Franz Grillparzer dazu, sich vom Theater zurück zu ziehen. Was waren die Gründe, dass Grillparzer mit seinem Lustspiel in Wien durchfiel? Wer hätte damals seinem Stück gerecht werden können? Denkt man an den europäischen Horizont seines literarischen und historischen Wissens, versteht man seine Einsamkeit in Wien. Wer war Grillparzer überhaupt? Warum könnte man Weh dem, der lügt! das schönste Lustspiel des 19. Jahrhunderts nennen? Warum wünschte Grillparzer sich einzig Heinrich Heine als Gesprächspartner für Fragen der Kunst? Was können wir heute in dem alten Lustspiel für uns entdecken? Und inwiefern spiegeln sich in Weh dem, der lügt! die großen Fragen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts .

 

Hans Höller, 1947 in Vöcklabruck geboren, bis vor kurzem als Professor am FB Germanistik der Universität Salzburg tätig. Nach dem Studium der Germanistik und der Klassischen Philologie mehrere Jahre als Lektor an den Universitäten von  Neapel, Wroclaw und Montpellier.
Forschungsschwerpunkte: österreichische Literatur des 19. Jahrhunderts und Literatur nach 1945.
Buchpublikationen zu Heinrich von Kleist, Marie-Thérèse Kerschbaumer, Ingeborg Bachman, Thomas Bernhard und Peter Handke. Mehrere Werk- und Brief-Editionen.

14. Nov. 2012:
Eduard Beutner,
"Rationalistische Dämonie. Das Zauberspiel zwischen Aufklärung und Biedermeier"

Bis zu Ferdinand Raimund und zum Frühwerk Nestroys ist das Zauberspiel die dominierende Gattung des Wiener Volkstheaters. Zwar entdeckt es technisch die Barocktheatralik und ihre Theatermaschinerie wieder, inhaltlich jedoch verbindet es, zur Befriedigung der Sensationsgier des Publikums nach Unheimlichem, Elemente phantastischer Literatur und des Irrationalismus mit der Ethik und dem Glückseligkeitsstreben der Aufklärung (Jürgen Hein). Die Vorlesung umreißt zentrale Koordinaten der Theatralik und Wirkungsästhetik, sowie sich wandelnde  (Wiener) Kontexte für Manifestationen und Stilmischungen des Zauberspiels: dies sind u. a. die  Zauberburleske, das Lokal- und Besserungsstück, die „mythologische Karikatur" oder das parodistische Zauberspiel. Josephinische und nachjosephinische Kontexte werden ebenso einbezogen wie solche des Biedermeier, wo die Flucht aus der politischen und sozialen Realität und das Unterlaufen der Zensur zunehmend ins Zentrum rücken. Auf der psychologischen Ebene wird der „Enthebungs- und Trostcharakter" (Friedrich Sengle) des Zauberspiels u. a. im Lichte von Freuds Theorien  beleuchtet.

 

Eduard Beutner:

geb. 1949, Studium der Germanistik und Anglistik; Dr. phil., a.o.Professor für Neuere deutsche Literatur am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg.

Dissertation: „Die Perspektive der literarischen Kritik in der „Oberdeutschen Allgemeinen Literaturzeitung. 1788 - 1811". Promotion 1974.

Habilitation: Joseph II. Die Geschichte seiner Mythisierung und Entmythisierung in der Literatur (1741 - 1848). Grundlagen und Bausteine der josephinischen Legende (1992).

Aufsätze zur Literatur des 18. , 19. und 20. Jahrhunderts und zur Wirkungsgeschichte des Josephinismus sowie u. a. zu Paul Weidmann, Michael Denis, Franz Michael Vierthaler, Novalis, Franz Grillparzer, Michael Enk von der Burg, Ada Christen, Otto Ruppius, Waltraud Anna Mitgutsch, Gerhard Rühm, H. C. Artmann.

Herausgeberschaft:
Literatur und Sprache im Österreich der Zwischenkriegszeit. Stuttgart 1985 (zus. mit Walter Weiss.
Dialog der Epochen. Studien zur Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts (zus. mit Josef Donnenberg).
Literatur als Geschichte des Ich. Würzburg 2000 (zus. mit Ulrike Tanzer).
Das glückliche Leben - und die Schwierigkeit, es darzustellen. Glückskonzeptionen in der österreichischen Literatur. Wien 2002 (zus. mit Ulrike Tanzer und Hans Höller).
Ferne Heimat - Nahe Fremde. Bei Dichtern und Nachdenkern. Würzburg 2008 (zus. mit Karlheinz Rossbacher)
Lesen.Heute.Perspektiven. Innsbruck 2010 (zus. mit Ulrike Tanzer).

 

 

7. Nov. 2012:
Beatrix Müller-Kampel, "Hanswurst, Bernadon, Kasperl. Die Typenkomik der Alt-Wiener 'Comoedie'"

„Kinder, seid ihr alle da?" Von wem, wo und in welchem Ton die Frage gestellt wird und wie sie zu beantworten sei, ist allenthalben wohlbekannt. Das kann nur Kasperl sein, der kindliche Lustigmacher mit Zipfelmütze, buntem Kostüm, langer Nase und Narrenkrause. Kasperls Ahnherrn, den Hanswurst, hatten ganz andere Ingredienzien genährt: Die Geschichte der Figur reicht in das späte 17. Jahrhundert zurück. Dieser Lustigmacher hatte freilich anderes im Sinn als der heutige Kinderkasperl, nämlich: Völlerei, Ferkelei und Prügelei.
Der Vortrag bietet Rundblicke über die phänotypischen Eigentümlichkeiten und Zusammenhänge der Lustigen Person Hanswurst und ihrer komischen Spießgesellen Bernardon und Kasperl, Einblicke in ihre politik- und mentalitätsgeschichtlichen Kontexte und Ausblicke auf ihre möglichen zivilisdationsgeschichtlichen Horizonte.

 

Beatrix Müller-Kampel
Institut für Germanistik der Universität Graz
Geb. 1958
ao. Univ.-Prof. für Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Universität Graz, Professeur associé der Université Catholique de l'Ouest in Angers.
Forschungsschwerpunkte: Literatur- und Theatersoziologie (P. Bourdieu, N. Elias), Geschichte des Lachens und der Komik, Österreichisches Theater des 18. Jahrhunderts.
Gründerin und Co-Herausgeberin von LiTheS. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie: http://lithes.uni-graz.at/lithes.html

 

24. Okt. 2012:
Johann Sonnleitner, "Franz von Heufeld (1731-1795). Seine Komödien und Bearbeitungen im Kontext der Wiener Theaterdebatte"

Einer der interessantesten und experimentierfreudigsten Autoren im Kontext der Wiener Theaterdebatte und der Literarisierungsprozesse ist zweifelsohne Franz von Heufeld (1731-1795), der in wenigen Jahren eine Reihe von durchaus auch noch heute lesenswerten Komödien vorgelegt hat, die allesamt einen Neudruck verdienten. Große Verdienste erwarb er sich durch die Bearbeitungen und Übersetzungen europäischer Literatur (erster deutscher Bühnen-Hamlet, Rousseau, Fielding, Holberg u.a.). Anfänglich Parteigänger der aufklärerischen Reformbestrebungen des Joseph von Sonnenfels, schuf er in seinen Komödien eine eigenständige satirische Form, die die modische Empfindsamkeit der bürgerlichen Dramatik konterkarierte und die Tradition der Wiener Posse keineswegs verleugnete. Lessing läßt sich in seinem ausführlichen Kommentar zur Julie oder Wettstreit Der Pflicht und Liebe zur gönnerhaften Formulierung herbei: „Es hat den Hrn. Heufeld in Wien zum Verfasser, der uns sagt, daß bereits zwei andere Stücke von ihm, den Beifall des dortigen Publikums erhalten hätten. Ich kenne sie nicht; aber nach dem gegenwärtigen zu urteilen, müssen sie nicht ganz schlecht sein."

 

Johann Sonnleitner
Ao. Prof. am Institut für Germanistik der Universität WienStudium der Germanistik und Romanistik an der Universität Wien, seit 1992 Assistent, 2004 Habilitation.Forschungsschwerpunkte: Wiener Komödie 18. bis 20. Jahrhundert. Deutschsprachige Literatur in Galizien. Mitherausgeber der hist.-krit. Ferdinand Raimund-Ausgabe. Zahlreiche Aufsätze v.a. zur österreichischen Literatur.
Buchpublikationen (Auswahl):

Die Geschäfte des Herrn Robert Hohlbaum. Die Schriftstellerkarriere eines Öster­reichers in der Zwischenkriegszeit und im Dritten Reich. Wien: Böhlau 1989.

Hanswurstiaden. Ein Jahrhundert Wiener Komödie. Salzburg: Residenz 1996

Philipp Hafner: Komödien. Wien: Verlagsbüro Lehner 2001

Philipp Hafner: Burlesken und Prosa. Wien: Verlagsbüro Lehner 2006

17. Okt. 2012:
Jürgen Hein, "Das Wiener Volkstheater: Institution und Geschichte - Ein Überblick"

Die Geschichte des Wiener Volkstheaters reicht vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zu Reminiszenzen in unserem Jahrhundert. Im „kollektiven Gedächtnis" und auf den heutigen Spielplänen ist es nur noch mit seinen vermeintlichen „Vollendern" Ferdinand Raimund und Johann Nestroy präsent. Eine nur an den Texten orientierte Geschich­te ergäbe ein einseitiges Bild. Daher wird der Überblick nicht nur die Aspekte: Autoren, Gattungen und Dramaturgie - u. a. Rolle der komischen Figur - berücksichtigen, sondern auch institutionelle Voraussetzungen und Produktionsbedingungen der Vorstadtbühnen (u. a. Zensur, Kritik, Publikum). Es wird sich zeigen, ob und wie dieses Theater eines „vom Volk und für das Volk" war, wie es zu einem theatralen Spiegel der Gesellschaft werden konnte.

 

Jürgen Hein:

emeritierter Professor für Neuere deutsche Literatur­wissenschaft und Literaturdi­daktik an der Westfäli­schen Wilhelms-Univer­sität Münster.

Buch­veröffentli­chungen zu Raimund, Nestroy und dem Wie­ner Volks­thea­ter, zu den Gattungen Dorfgeschichte und Volks­stück; Herausgeber von Anthologien (Deutsche Anekdoten; Parodien des Wiener Volkstheaters; Nestroy zum Vergnügen; Wienerlieder); Auf­sätze zu Alexis, Auerbach, Grabbe, Grillparzer, Hebbel, Holtei, Horváth, Koeppen, Karl May, Nestroy, Raimund, Fritz Reuter, Rosegger, Stif­ter, Zuck­mayer u.a.; Bei­trä­ge zur zur Dialektlitera­tur und zum lite­rari­schem Regio­na­lis­mus, zu Editionsfragen sowie zu lite­raturdidakti­schen Pro­ble­men; Mither­ausge­ber und Bandbearbeiter (11 Bände mit 15 Stücken) der neuen histo­risch-kritischen Ne­stroy-Ausgabe (HKA Nestroy, 1977-2010); Seit 1985 verantwortlicher Programmgestalter der Internationalen Nestroy-Gespräche Schwechat.
Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

10. Okt. 2012:
Einführung (Sabine Coelsch-Foisner, Ulrike Tanzer, Susanne Winter)
Mit dem Nestroy-Regisseur Peter Gruber (Wien)

 

Peter Gruber

geb. 1946 in Wien

 

Theater-Schauspieler in Wien, Düsseldorfer Schauspielhaus, Oberhausen, Tübingen, Schauspielhaus Zürich, Salzburger Festspiele, Ruhrfestspiele, etc.

 

Theater-Regisseur in Wien (Josefstadt/Volkstheater/Th.a.d.Wien/Volksoper/Schauspielhaus/Komödianten/ Ensembletheater/Freie Szene), Salzburg, Bregenz, Stadttheater Klagenfurt, Düsseldorfer Schauspielhaus, Tübingen, Oberhausen, Kaiserlautern, Freiburg, Zürich etc. (Sophokles, Shakespeare, Büchner, Nestroy, Raimund, Strauß, Lehar, Lenz, Goethe, Horvath, Soyfer, Saunders, Behan, Borchert, Bond, Churchill, Allen, Savary, Kroetz, Schwab, Kislinger etc./ Zahlreiche UA)

 

Film- und Hörspielregisseur für den ORF (ca. 35 Produktionen)

 

Film-Schauspieler (ORF/ZDF/BBC etc.)

u.a.: „Nach der Entlassung", „Das Doppelte Leben", „Hamlet", „Sternberg", „Not Mozart", „Und morgen der Opernball" etc.

 

Sprecher im ORF:

„Musicbox", „Apropos Film", „Universum", „Musikszene", Literatur-Sendungen, Dokumentationen, Politik-Magazine, „Traummännlein", Hörspiele, Werbung etc.

 

Intendant der Nestroy-Spiele Schwechat seit 1973

 

Lehrtätigkeiten:

Gast-Professur f. Schauspiel am Max Reinhardt-Seminar Wien (1973 u. 1984)

Gast-Professur an der Abt. Schauspiel Kunstuniversität Graz (2001 - 2003)

Gast-Professur f. Regie am Max Reinhardt-Seminar Wien (2003 - 2005)

 

Auszeichnungen:

1974: Kainzmedaille für die beste Regie („Musketiere"/Planchon)

1984: Kainzmedaille für die beste Regie („Mephisto"/Mnouchkine)

1994: Nestroy-Ring der Stadt Wien (Satir. Darstellung Wiens)

1996: Gustav Klimt-Preis

1995 und 2001: Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Kultur

2002: Max Reinhardt-Preis und Publikumspreis beim Theatertreffen Essen („Übergewichtig, unwichtig: Unform"/Schwab)

2009: Kultur- u. Wissenschaftspreis f. Darst. Kunst des Landes NÖ

2011: Großes Ehrenzeichen f. Verdienste um das Land NÖ