Leerstandnutzung – eine Chance für Altstadt und Universitäten

Veranstaltungsbericht von Christopher Spiegl

Am Mittwoch, den 24. Jänner 2024, fand im Europasaal der Edmundsburg ein Podiumsgespräch statt, das sich mit dem Thema Leerstandnutzung und daraus resultierenden Implikationen und Perspektiven für die Altstadt und die Universitäten in Salzburg befasste. Das W&K-Forum versammelte eine vielfältige Gruppe von Expert:innen und die Diskussion versprach Einblicke in die Potenziale und Herausforderungen der Leerstandnutzung. Die Auftaktveranstaltung zu einer Projektinitiative wurde ihrem Versprechen, drängende Fragen zur Zukunft des städtischen Lebensraums zu beleuchten und mögliche Lösungsansätze zu diskutieren, bei regem Publikumsinteresse gerecht. Initiiert wurde das Projekt von Peter Deutschmann, Professor für Slawistik an der Paris-Lodron-Universität Salzburg (PLUS) gemeinsam mit Hildegard Fraueneder, Kunsthistorikerin an der Universität Mozarteum Salzburg.

Die Podiumsdiskussion wurde als Anregung dafür konzipiert, neue Ideen für die Nutzung der Altstadt vorzustellen, damit möglichst viele Beteiligte – die Universitäten, die Stadt als Kommune, Studierende und Lehrende, nicht zuletzt aber auch Eigentümer von Immobilien – durch die Beachtung von Nutzungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten davon profitieren. Der zentrale Grundgedanke besteht darin, dass die Universitäten als potenzielle langfristige Nutzer:innen und Gestalter:innen gesehen werden bzw. dass sie sich selbst als Institutionen im Stadtraum sehen, die langfristige Perspektiven sichern.

Die Idee der Altstadtuniversität entstand in den späten 1970er Jahren auch als Mittel gegen den Bevölkerungsrückgang der Innenstadt und konnte sich – so Hildegard Fraueneder in ihrer Anmoderation des Abends – nie vollständig durchsetzen. Die gegenwärtige Wohnungskrise betreffe alle Universitätsangehörigen. Besonders schwierig sei es, Wohnraum zu organisieren. Das betrifft die Studierenden, die sich für ein Studium an den Salzburger Universitäten entschieden haben, genauso wie Erasmus-Studierende und Gastlehrende. Aber auch der Lehrbetrieb sei von der Raumproblematik betroffen: Während die Universität Mozarteum plant, zukünftig ihre Departments in die Altstadt zu verlegen, musste die PLUS in den vergangenen Jahren einige Universitätsräume aufgrund musealer und touristischer Projekte abgeben. Die gegenwärtige Leerstandsdebatte konzentriere sich oft auf Geschäftsflächen, die Auftaktveranstaltung wolle aber den Schwerpunkt auf den Leerstand von Wohnraum legen. Es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob und wie dem Trend der Investition in Immobilien zum Zweck einer erwarteten Wertsteigerung bei gleichzeitig ausbleibender Vermietung entgegengewirkt werden könne. Der massive Rückgang der Bevölkerung in der Altstadt habe nachhaltige Auswirkungen auf ihre Transformation und ihr Erscheinungsbild.

Nach dieser Bestandaufnahme wurden die Teilnehmer:innen um kurze Eingangsstatements zum Thema gebeten.

Daniela Waltl (Studentin an der PLUS) wies darauf hin, dass zehn Prozent der Studierenden mehr als 50 Kilometer zum Studienort pendeln müssen. Sie betonte die Schwierigkeiten, einen Platz in den Studierendenwohnheimen zu erhalten, wo zudem lange Wartezeiten und hohe Mietkosten von über 550 Euro die Regel seien. Die Situation auf dem regulären Wohnungsmarkt sei nicht besser, was dazu führe, dass viele Studierende nach wie vor auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen seien. Waltl unterstrich, dass Studierende oft zahlreiche Kompromisse bei der Wohnqualität machen müssen. Sie kritisierte auch den Mangel an partizipativen Möglichkeiten für junge Menschen, um Bedürfnisse und Anliegen besser einbringen zu können.

Theresa Kohlmayr (Urbanauts) betonte in ihrem Eingangsstatement, dass in Wien der Mietpreisdeckel als regulative Maßnahme wirksam sei und Synergien in einer Stadt fördern könne. Ihre Firma vermietet Gästeapartments, die aus lange leerstehenden Geschäftsflächen entstanden sind, wobei sie deren Eigentümern langfristige Nutzung biete, dafür selbst aber günstige Mietkonditionen hat. Für die Umsetzung ihrer eigenen Projekte hob sie die Bedeutung des direkten Kontakts mit Eigentümern hervor. Man müsse diese nur mit rentablen Konzepten überzeugen, dass Vermietung durchaus ein wünschenswerter Zustand und besser als Leerstand ist. Als Vorreiter in der Leerstandsaktivierung bezeichnete Kohlmayr die skandinavischen Länder, die bereits vor über 30 Jahren ähnliche Projekte erfolgreich umgesetzt hätten. Universitäten könnten für Eigentümer den Vorteil bieten, dass sie langfristiger Bestandnehmer von Immobilien sind.

Christian Smigiel (FB Geographie, PLUS) skizzierte auf der Grundlage eines vom Land Salzburg finanzierten Forschungsprojekts Probleme für die Leerstandsnutzung. Er wies darauf hin, dass die Kurzzeitvermietung bereits vor dem Aufkommen von Airbnb eine Rolle spielte und mit einer forcierten Touristifizierung zusammenhänge, die sich als schleichender Prozess in den letzten 10-15 Jahren vollzogen habe. Dadurch entstehe vorwiegend temporärer Leerstand. Smigiel unterschied zwischen ‚minder genutztem Wohnraum‘ (meist ohne Hauptwohnsitzmeldung) und ‚klassischem Leerstand‘, der entsteht, wenn Wohnraum als Spekulationsobjekt zweckentfremdet wird. Er betonte die Schwierigkeit, valide Zahlen über den minder genutzten Wohnraum der letzten 20 Jahre zu ermitteln, und stellte fest, dass vor allem von Bauträgern gebaute Wohnungen betroffen seien. Dieser minder genutzte Wohnraum könne auf 15-20 % der städtischen Wohnfläche geschätzt werden. Darüber hinaus mangele es auch an nichtkommerziellen Orten und Räumen des Austauschs für die Bevölkerung, die jedoch für das Sozialgefüge einer Stadt von großer Bedeutung seien.

Andreas Schmidbaur (Welterbebeauftragter sowie Abteilungsleiter Raumplanung & Baubehörde der Stadt Salzburg) griff auf den Erfahrungsschatz seiner langjährigen Tätigkeit in der städtischen Raumplanung zurück und verwies auf die Besonderheiten Salzburgs. Er betonte, dass Salzburg als eine der ersten Städte in Österreich ein Altstadterhaltungsgesetz eingeführt habe, es bringe jedoch einen hohen Verwaltungsaufwand mit sich. Der Fonds für die Altstadterhaltung werde von Stadt und Land getragen, wobei zwischen Pflicht- und freien Förderungen unterschieden werde. Schmidbaur betonte das grundlegende Problem, dass Leerstand einerseits nicht erwünscht, andererseits aber auch nicht verboten sei. Es sei schwierig, die Eigentümer anzusprechen, obwohl seitens der Behörden eine kostenlose Beratung angeboten werde. Ein weiteres Problem für die Nutzung von Wohnraum sei die spätmittelalterliche und barocke Kernstruktur der Altstadt. Dafür habe Salzburg den Vorteil kurzer Wege und guter Erschließung durch Radwege.

Roland Aigner (Geschäftsführer des Altstadtverbandes Salzburg und der Altstadt Salzburg Marketing GmbH) stimmte seinen Vorrednern in vielen Punkten zu und betonte die wichtige Rolle des Altstadtverbands als eines „politischen Softballs“. Er hob hervor, dass der Verband nicht nur als Tourismusverband für die Stadt agiere, sondern auch als wichtiges Interface zwischen Politik, Verwaltung und Unternehmen fungiere und gleichzeitig als Interessenvertretung für die Bewohner:innen auftrete. Aigner sieht in der Basisinfrastruktur des Stadtzentrums genügend Kapazitäten, um junge Familien anzuziehen. Er betonte die Notwendigkeit von Dynamik auf dem Wohnungsmarkt, denn im schlimmsten Fall könne ein Mangel an Leerstand die Preise weiter antreiben. Eine hohe Wirtschaftsleistung bringe auch höhere Lebenshaltungskosten mit sich. Er wünsche sich mehr konsumfreie Zonen; als positives Beispiel hierfür nannte er das Salzachufer, das in den letzten Jahren von den Studierenden erobert wurde. Er plädierte für mehr direkten Kontakt mit den Eigentümern und eine klare Positionierung der Politik, die in diesem Bereich letztendlich am längeren Hebel sitze.

In der abschließenden Diskussion mit dem Publikum wurde von den meisten Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Altstadt nicht allein ein Zentrum für kurzfristige Interessen und Gewinnmaximierung sein müsse, sie biete auch andere Möglichkeiten: Eigentümer und Universitäten sollten sich mit Unterstützung der Politik und öffentlicher Stellen darüber austauschen, langfristig Räumlichkeiten für die universitäre Nutzung (Wohnen, Unterrichten, Leben) bereitzustellen. Für die Eigentümer wäre dies insofern von Vorteil, als sie damit langfristig eine verlässliche Nutzung für ihre Objekte haben; um attraktiv zu sein, müssen die Universitäten ihren Studierenden bzw. Mitarbeiter:innen auch leistbare Wohnmöglichkeiten anbieten. Wenn sich diese in der Altstadt befinden und nur mit relativ geringem Aufwand – im Vergleich zu teuren Neubauten anderswo – bereitgestellt werden können, so würde dies sehr positive Auswirkungen für die Innenstadt haben, weil allzu einseitiger touristischer Nutzung begegnet werden würde. Neue politische und institutionelle Konstellationen in der Stadt Salzburg und an den Universitäten sollten diese Idee verfolgen und schrittweise umzusetzen versuchen.

Rechte: CC-BY 4.0

Empfohlene Zitierweise: Christopher Spiegl: “Leerstandnutzung – eine Chance für Altstadt und Universitäten”, in: Figurationen des Übergangs, 31.10.2024, S. 1-4. DOI: 10.25598/transitionen-2024-3 <https://transition.hypotheses.org/2721>